Publizist Robert Geisendörfer

Der Kirche in den Medien Gehör verschafft

Vor 100 Jahren wurde der evangelische Publizist Robert Geisendörfer geboren. Als er am 26. Februar 1976 überraschend starb, sprach der damalige ARD-Vorsitzende Werner Hess persönlich den Nachruf in der Spätausgabe der «Tagesschau». Hess, der mit Geisendörfer befreundet war, sagte, der Publizist gehörte «zu jenem Typ von Theologen, die es entschieden ablehnen, die Kirche in ein Ghetto zu begrenzen, sondern die sich dem Auftrag verpflichtet fühlen, als Vertreter dieser Kirche ihr Wort deutlich in die Problematik der Welt hineinzusprechen».
Kirche
Robert Geisendörfer.

«Fürsprache üben, Barmherzigkeit vermitteln und Stimme leihen für die Sprachlosen» - das war das Credo Geisendörfers, das bis heute Richtschnur für die evangelische Publizistik ist. Geisendörfer, der vor 100 Jahren am 1. September 1910 geboren wurde, baute die evangelische Publizistik in Deutschland nach dem Krieg mit auf und hatte prägenden Einfluss im Evangelischen Presseverband für Bayern (EPV). Später sorgte er als erster Fernsehbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für regelmässige kirchliche Sendeplätze und war Gründungsdirektor des überregionalen Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main.

Bescheidene Anfänge

Die Anfänge 1947 in München waren bescheiden: Der Presseverband hatte nur provisorische Räume, in die bei starkem Regen Nässe drang:
«Wir legten Ziegelsteine und Bretter aus, um nicht an unseren Schreibtischen mit den Füssen im Wasser zu sitzen», erinnerte sich Geisendörfer. Mit wenigen Mitarbeitern gab er mehrere Zeitschriften heraus. In der Anfangsphase mussten beim Versand der Direktor, seine Frau Ingeborg und die kleine Tochter Ursula mit Hand anlegen.

1960 zog der inzwischen auf mehr als 100 Beschäftigte angewachsene Presseverband in ein neugebautes Medienzentrum in München um. Dieses Pressehaus am Rande der Innenstadt, das in zwei Gebäuden die Redaktionen von Kirchenzeitung, Nachrichtenagentur, Fachpublikationen und eine eigene Druckerei beherbergte, war damals ohne Beispiel in der kirchlichen Medienlandschaft.

Unter einem Dach

Seine organisatorischen Fähigkeiten, seine Beharrlichkeit und sein Vermögen, Talente an sich zu binden und Strukturen zu schaffen, kamen Geisendörfer auch beim Aufbau des überregionalen Gemeinschaftswerks der evangelischen Publizistik zugute. Nach langen Vorarbeiten und müheseligen Gremien-Diskussionen im traditionell dezentral organisierten deutschen Protestantismus konnte Geisendörfer am 5. Juli 1973 das Gemeinschaftswerk in Frankfurt starten. Damit waren alle wesentlichen publizistischen Kräfte innerhalb der EKD zum ersten Mal unter einem Dach vereint.

Bei seinen Bestrebungen, den kirchlichen Journalismus zu bündeln und zu profilieren, ging Geisendörfer von einer glasklaren theologischen Grundlage aus. Wie die Kirche insgesamt habe auch die kirchliche Publizistik die Aufgabe, Stellvertreter zu sein für Menschen, die in der Gesellschaft am Rand stehen.

Journalistische Unabhängigkeit

Voraussetzung für diese journalistische Stellvertreteraufgabe war die journalistische Unabhängigkeit. Diese Freiheit von Ansprüchen der Kirchenleitung vertrat Geisendörfer beharrlich und unerschrocken.

Genauso energisch ging der GEP-Direktor auch gegen den Einfluss der Parteien in den Rundfunkanstalten vor. In einem Brief an die Parteivorsitzenden von CDU, CSU, SPD und FDP warnte er im November 1973 eindringlich vor einem «Journalismus mit Parteibuch» und stellte als EKD-Fernsehbeauftragter die Frage, ob der «Rundfunk seinen Verfassungsauftrag in Unabhängigkeit und Staatsferne erfüllen kann, wenn es von den Parteien allein abhängt, wer an welchem Platz welche Aufgaben wahrzunehmen hat».

Umgeben von Gott

Diese Unabhängigkeit hat Geisendörfer immer wieder selbst vorgelebt. Weil ihm beispielsweise das Zeitdiktat von Zugfahrplänen zuwider war, ging er grundsätzlich bei seinen vielen Dienstreisen ohne jede Vorbuchung auf den Bahnhof und nahm den nächsten Zug, der kam.

Grossen wirtschaftlichen Einfluss im deutschen Filmgeschäft erlangte Geisendörfer mit dem Ende 1948 begründeten evangelischen
«Filmbeobachter»: Für die Kinobesitzer galt das Prinzip der «Blockbuchung», was bedeutete, dass sie einen interessanten Streifen als Hauptfilm nur zusammen mit anderen Filmen vorführen durften, die sie jedoch noch nie gesehen hatten. Die nötigen Informationen über diese Begleitfilme lieferte ihnen der «Filmbeobachter». Bis heute gehören der Fachdienst «epd medien» und die Zeitschrift «epd film» zu den Markenzeichen des Gemeinschaftswerks.

Im Alter von 65 Jahren starb Robert Geisendörfer in Frankfurt an einem Herzinfarkt. Auf seiner Grabsäule steht der biblische Spruch aus dem 139. Psalm: «Von allen Seiten umgibst Du mich.»

Datum: 26.08.2010
Quelle: Epd