Der Ärger über das Nein des Zürcher Kantonsrats zum Polizei- und Justizzentrum (PJZ) im letzten Monat wird sich so bald nicht legen. Der Tages-Anzeiger machte sich mit einem Hieb gegen die EDU Luft. Der Titel «Vier Freikirchler gaben den Ausschlag: 600-Millionen-Bau versenkt» ist ein Schlag unter die Gürtellinie – und ein derart langer Zweizeiler, dass man annehmen kann, die Blattmacher hätten den (soliden) Bericht anti-evangelikal aufpeppen wollen.
Die Fakten: Mit 89 zu 82 Stimmen lehnte der Kantonsrat den Kredit für den Bau des PJZ ab. Der Komplex auf dem seit 1975 dafür reservierten Kasernenareal im Stadtzentrum hätte die exorbitante Summe von 600 Millionen Franken gekostet. Dies ist deutlich mehr als die Summe, die das Zürcher Stimmvolk in einer Abstimmung 2003 bewilligt hatte. Mit SVP, Grünen und Grünliberalen stimmten nach dreistündiger Debatte auch vier der fünf EDU-Kantonsräte Nein; einer enthielt sich. Im Tagi ist zu lesen, dass «die evangelikale EDU den Ausschlag gab, die 2003 als Einmannpartei noch Ja sagte».
Der Titel, der dies zuspitzt, ist ebenso billige wie abwegige Polemik, eines Medienunternehmens unwürdig, das den Anspruch erhebt, den Dialog in der pluralistischen Gesellschaft auf hohem Niveau mitzugestalten. Die Grünen haben im Kantonsparlament 21 Sitze, die Grünliberalen 10, die SVP 57. Diese (andernorts als unheilig bezeichnete) Allianz trug 85 der 89 Nein-Stimmen bei – aber am Nein schuld sind «vier Freikirchler».
Sind «Freikirchler» die Wehrlosen, an denen man den Ärger ohne Folgen abreagieren kann? Dass die SVP, die angeblich Sicherheit im Land über alles stellt, der Polizei und den Justizorganen bessere Arbeitsbedingungen verwehrt, wird nicht herausgestellt. Der Titel «Grünliberale verursachen Scherbenhaufen» hätte das Abstimmungsergebnis besser wiedergegeben – doch mit dieser aufstrebenden Partei will es der Tagi offenbar nicht verderben…
Wie lange nehmen die Freikirchen des Kantons, in dem die Medien Klischees mit nationaler Wirkung prägen und ausschlachten, solche Schläge unter die Gürtellinie noch hin? Hier ist festzuhalten: Bedauerlicherweise haben die Freikirchen sich bisher nicht auf einen kantonalen Verband verständigt (es gibt nur den Deutschschweizer Verband VFG). Sie haben darum in Zürich auf der politischen Bühne keine Stimme. Die EDU als politische Kleinpartei, die ihr Milieu zu vertreten sucht, kann für sie stehen – was sich in Fällen wie dem PJZ-Entscheid ganz ungünstig auswirkt.
Die EDU-ZH bezeichnet auf ihrer Webseite «Sicherheit, Bildung und Infrastruktur» als die kantonalen Kernaufgaben. «Hierhin soll Geld fliessen.» Wie wird sie ihren Wählern verständlich machen, dass eine Planungsleiche von 60 Millionen Franken und der enorme politische Scherbenhaufen auf dem sensiblen Feld der Sicherheitspolitik besser sind als der teure Bau?
Und: Wie lange kann es sich die reformierte Landeskirche noch leisten, öffentlich zu schweigen, wenn die führende Zeitung des Kantons auf die evangelischen Brüder eindrischt?
Datum: 28.09.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch