Harald Lesch sucht einen Gottesbeweis

Harald Lesch
Gibt es Gott? Ob man dieser Frage mit wissenschaftlichen Methoden beikommen kann, ergründet der Wissenschaftsjournalist Harald Lesch in einer neuen ZDF-Reihe. Lesch lässt sich auf die Frage dabei auch ein wenig persönlich ein.

In der Reihe «Terra X», die der Professor für Astrophysik, Harald Lesch, seit 2009 moderiert, startet das ZDF eine zweiteilige Dokumentation über die Existenz von Gott und den Sinn des Lebens. Den Auftakt machte am Sonntag der erste Teil «Gibt es Gott?» – die Sendung ist zudem in der Mediathek zu finden. Den zweiten Teil zur Frage «Was ist der Sinn des Lebens?» strahlt das ZDF am Sonntag, dem 23. April, um 19:30 Uhr aus.

«Religion und Spiritualität sind auch heute noch ziemlich populär», stellt die Sendung zu Beginn fest. Und scheinbar gibt es den Glauben an einen Schöpfer schon so lange wie es Menschen gibt. «Die Sehnsucht nach einer höheren Macht scheint uns nicht loszulassen», sagt Lesch. Er selbst werde als Astrophysiker oft gefragt, ob es Gott geben könnte. «Woher soll ich das denn wissen als Astronom? Die Frage kann niemand so ohne Weiteres beantworten.» Trotzdem bleibe sie eine, die die Menschen seit ihren Anfängen beschäftigt. «Vielleicht ist sie die grösste Frage der Menschheit überhaupt.»

Gerade im Hinblick auf die Natur wundere es ihn «überhaupt nicht», wenn die Menschen fragen: «Kann das alles zufällig entstanden sein?» Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Leben im Universum entstanden ist, sei vergleichbar mit der Wahrscheinlichkeit, dass ein Bleistift auf seiner Spitze auf einer Tischplatte stehenbleibt. «Unmöglich ist das theoretisch nicht», so Lesch, nur eben sehr unwahrscheinlich. «Viele Theologen und manche Physiker glauben deshalb, dass das Universum so fein aufeinander abgestimmt ist, dass das kein Zufall sein kann.»

Glaubenszentrum im Gehirn

Lesch geht dann auch Wundern auf wissenschaftlicher Ebene nach. Auch dies ist letzten Endes eine Frage der Wahrscheinlichkeit und des eigenen – weniger oder starken – Glaubens. Bei der Frage, ob Gott vielleicht nur ein Hirngespinst ist, lässt sich der Astronom schliesslich selbst in die Röhre eines MRT legen. Lesch soll währenddessen meditieren – «Zum Glück habe ich darin etwas Übung».

Und tatsächlich ist während der Meditation in Leschs Gehirn eine Region besonders aktiv, die Forscher als «spiritualitätsempfindungsmodulierend» bezeichnen: das periaquäduktale Grau (PEG). Oder wie Lesch sagt: «Das Zentrum meines Glaubens.» Das Fazit lautet vorerst: «Ohne Hirn kein Gott.» Und da stellt sich gleich die nächste Frage: Existiert Gott vielleicht nur dann, wenn wir an ihn denken? Oder dient diese Region im Gegenteil seit jeher dazu, Gott wahrzunehmen, so wie ein Auge Licht wahrnimmt?

Die Theodizee-Frage

Die für viele Menschen existenzielle Frage «Warum lässt Gott das Leid zu» beantwortet Lesch mit einer Vermutung: «Wenn Gott den Menschen als ein Wesen mit einem freien Willen geschaffen hat, dann muss die Natur nach Gesetzen funktionieren, denn nur dann kann der Mensch die Folgen seiner Handlungen absehen.»

Oder anders ausgedrückt: «Gott hat das Leid zugelassen, damit der Mensch sich in Freiheit für das Gute und gegen das Böse entscheiden kann. In diesem Sinne ist das Leid der Preis, den wir bezahlen müssen, um uns in der Welt der Naturgesetze wohl aufgehoben zu fühlen.»

Zum Schluss widmet sich der ZDF-Film noch dem Gottesbeweis des Mathematikers Kurt Gödel (1906-1978), der lange nie richtig widerlegt wurde. Christoph Benzmüller, Informatiker der Universität Bamberg, schickt die mathematische Beweisführung durch einen Computer, und der scheint zu bestätigen: Die Beweisführung ist widerspruchsfrei. Für Benzmüller existiert damit Gott aber nicht notwendigerweise, nur möglicherweise.

Gott und Wissenschaft schliessen sich nicht aus

Am Ende ist die Frage nach Gott wohl eine persönliche, ebenso wie die Antwort darauf. Gott und Wissenschaft jedenfalls schliessen sich offenbar nicht aus. Ob Lesch selbst an Gott glaubt, sagt er am Ende nicht eindeutig. Aber er macht zumindest eine augenzwinkernde Andeutung.

Lesch, der gegenüber PRO vor einigen Jahren in einem Interview sagte: «Ich bin Protestant vom Scheitel bis zur Sohle», sagte vor Start der Doku-Reihe anlässlich der neuen ZDF-Reihe: «Dem Menschen der digitalen Moderne bleibt ganz offensichtlich gar keine Zeit mehr für die Frage nach Gott, viele gehen deshalb für ein Retreat ins Kloster, beginnen zu meditieren oder wenden sich spirituellen Fragen zu. Es lässt uns nie los.» Gottesbeweise gebe es auch wissenschaftlich gesehen keine, jedoch «Anlass zum Staunen, staunen über die Feinabstimmung des Kosmos».

Die zweite Folge zur Frage nach dem Sinn des Lebens betreffend konstatierte der Wissenschaftler, auch dies sei eine persönliche Entscheidung. «Die leichte Antwort ist: alles für zufällig und sinnlos zu halten. Die viel komplexere Antwort ist, sich auf die Suche zu machen nach einem Zweck, einem Ziel, und eine Aufgabe zu finden und sie zur 'eigenen' Sache zu machen.» Die Natur indes kenne keinen Sinn. «Insofern können wir Sinn immer nur in uns finden.» Jeder müsse danach suchen – und das sollte er sogar, so Lesch: «Sinn ist ein wichtiger Kompass im Leben.»

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

Zur Sendung:
«Terra X: Die grossen Fragen. Mit Professor Harald Lesch» kann in der ZDF-Mediathek angesehen werden.

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Autor: Jörn Schumacher
Quelle: PRO Medienmagazin

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