Eine Frau, von Gott gesandt

Grace hatte einen verheerenden Start ins Leben.
Sexuelle Übergriffe durch alkoholisierte Verwandte, Misshandlungen durch Stiefvater und spätere Stiefmütter: Grace hatte einen verheerenden Start ins Leben. Dennoch hielt sie an Gott fest – heute ist sie eine Ermutigung für viele Menschen.

Als Grace (Name geändert) ihre Geschichte aufschreibt, ist es, als würde eine jahrealte, schwere Last von ihren Schultern gehoben. «Ich war die Erstgeborene von drei Kindern. Meine Mutter war damals 16 Jahre alt», blickt Grace auf ihre ersten Tage zurück. «Als ich zwei Monate alt war, heiratete Mutter einen anderen Mann. Und als ich vier Monate alt war, war sie wieder schwanger – das heisst, es gab keine Muttermilch mehr.»

Der Familienalltag in Kenia war von Mangel geprägt. «Als ich sechs Jahre alt war, hatten wir nur noch Wasser und Salz daheim. Ich mischte zwei Liter Wasser mit Salz, um es zu trinken. Mein Bruder machte es nach und nahm Erde statt Salz. Ausserdem suchten wir nach Essens-Resten bei den Nachbarn, die aber oft schon schwarz vor Verfall waren.» Mit der Zeit suchten die drei Kinder in der ganzen Nachbarschaft nach weggeworfenem Essen.

Fast gestorben

«Meine Mutter rauchte und trank ständig Alkohol.» Einmal regnete es heftig, doch die drei Kleinen konnten nicht ins Haus hinein. «Durchnässt und frierend setzten wir uns vor die geschlossene Haustür. Wir beteten und schliefen danach ein. Früh am nächsten Morgen fand uns unser Stiefvater. Er gab uns heisses Wasser, doch wir zitterten so stark, dass wir die Tasse nicht festhalten konnten. Wir wären fast gestorben.»

Da beschloss der Stiefvater, jeden Abend daheim zu sein, um sich um die drei zu kümmern. Doch er war gerade im Begriff, eine andere Frau zu heiraten. In dieser neuen «Familie» wurde Grace als nutzlos bezeichnet. «Ich wusch die Kleider und das Geschirr, um Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen.» Die beiden jüngeren Geschwister wurden etwas besser behandelt.

«Mein Stiefvater heiratete erneut. Auch diesmal sagte er, dass ich nicht seine Tochter bin. Doch ich sang gerne Gospellieder und die neue Frau meines Stiefvaters liebte mit der Zeit meinen Gesang. Anders als vorher gab sie mir genug zu essen und manchmal sogar Kleider.» Früher musste sie sich oft mit zerrissenen Klamotten begnügen.

«Du bist nutzlos»

Grace wusch immer die Kleider der Familie im Fluss. «Eines Tages trug ich einen grossen Korb Kleider auf meinem Kopf. Als er mir zu schwer wurde, bat ich meinen Stiefvater, ihn mir abzunehmen; was er verweigerte. Als der Korb herunterfiel, beschimpfte er mich ‚Mjinga‘, das bedeutet ‚nutzlos‘. Ich nannte ihn auch ‚Mjinga‘.»

Er ging in den Busch und suchte sich einen Stock, um sie zu schlagen. «Ich rannte zu meiner Oma, einer Familie, in der ebenfalls alle Alkohol tranken.» Grace bat die Grossmutter, sie in die Schule zu schicken. «Stattdessen verschaffte sie mir einen Job, bei dem ich mich um die Kinder einer anderen Familie kümmern und für sie kochen musste.» Oma holte jeweils den Lohn ab und behielt ihn für sich. «Nach zwei Monaten kehrte ich zurück und half im Haushalt von Grossmutter.»

«Gott liebt mich wirklich»

Eines Abends sollte sie einem Onkel – der ebenfalls alkoholkrank war – Wasser bringen. «Als ich das Haus betrat, setzte er sich auf sein Bett und forderte mich auf, näher zu kommen. Er begann, seine Hose auszuziehen.» Er wollte Grace packen, «doch ich konnte wegrennen, weil ich etwas Schlimmes erahnte». Doch die Oma befahl ihr, jeden Abend zu gehen.

Eines Tages lief Grace weg, sie wurde zum Strassenkind. «Es geht darum, Nahrung und einen Schlafplatz zu suchen. Manchmal traf ich Freunde meiner Mutter, die mir etwas zu essen kauften. Einer sagte: ‚Ich dachte, du wärst tot. Dass du noch lebst, zeigt, dass Gott dich liebt!‘ Das berührte mein Herz tief. Mir wurde klar, dass Gott mich wirklich liebt.»

Gottes Stimme gehört

Eines Tages brachte ihr Stiefvater Grace und die beiden anderen Kinder zu seiner Schwester, die selbst mehrere Kinder hatte. «Wir gingen mit Kleidung und Bettwäsche. Aber das wurde für die anderen Kinder verwendet und wir mussten auf Bananenblättern schlafen. Wir bekamen fast nichts zu Essen, wir mussten uns beispielsweise zu dritt ein Chapati – ein dünnes Fladenbrot – teilen. Eines dieser Kinder hatte Mitleid mit uns und es versteckte jeweils etwas zu essen für uns.»

Grace begann, mehr zu beten. «Ich hörte eine süsse Stimme. Es war Gottes Stimme, die mir sagte, wie sehr er mich liebt.» Auf dem Gelände ihrer Stieftante arbeiteten ein paar grosse, starke Männer. «Einer forderte uns Kinder auf, verstecken zu spielen. Als ich mich verborgen hatte, kam er, packte mich und versuchte, mir die Kleider vom Leib zu reissen. Aber ich schrie zu Gott um Hilfe und ich konnte fliehen. Der Mann fiel nieder und er begann zu zittern. Er wurde ins Spital gebracht, wo er starb.»

Überirdische Kraft

Manchmal bewirtschaftete sie das Feld ihrer Tante. «Einmal spürte ich, dass Gott mir enorm viel Kraft gab, so dass ich meine Geschwister nach Hause schickte. Trotzdem war ich in nur einer Stunde damit fertig, das ganze Land umzugraben. Ich bin überzeugt, dass Engel mir dabei geholfen haben.»

Ihre Mutter starb, als Grace noch sehr jung war. Um von der Strasse wegzukommen, heiratete sie. Doch rasch entpuppte sich ihr Mann als gewalttätig. «Als ich Kinder bekam, schlug er sie. Manchmal flüchteten wir in die Kirche und wenn diese geschlossen war, schliefen wir auf der Strasse.»

Eines Tages kam ihr Mann nach Hause und sagte, sie solle ausziehen, weil eine andere Frau ein Baby von ihm erwartet. «Ich wollte zuerst meine Arbeit im Garten beenden und dann mit seinen Eltern sprechen. Als ich dann unterwegs war, versuchte er, mich mit seinem Auto anzufahren, um mich zu töten.»

Überraschende Hilfe

​Grace wurde klar, dass sie auf sich allein gestellt sein würde. Sie wollte ihre Kinder zur Schule schicken, aber ihr fehlten selbst die erforderlichen 200 Kenianischen Schilling (ungefähr 1,35 Schweizer Franken) für das Vorstellungsgespräch.

Schliesslich traf sie eine Lehrerin, die ihr eine Schule zeigte und die darauf vertraute, dass Grace das Geld am nächsten Tag bringen würde. «Auf dem Heimweg traf ich ein Missionarsehepaar, das mir mit 2000 Schilling half. Es fühlte sich an wie eine Million!»

Sie konnte dadurch der Lehrerin das Geld geben, die Schuluniform bezahlen und etwas Essen kaufen. Auf der Missionsstation fand Grace eine Arbeit in der Küche.

Würdig

«Als ich anfing, für eine Missionarsfamilie zu arbeiten, fühlte ich mich nicht würdig, an ihrem Tisch zu sitzen, als ich eingeladen wurde. Heute bin ich sehr dankbar, dass sie darauf bestanden haben, denn es hat mir geholfen, den Wert wiederzugewinnen, den Gott mir gegeben hat. Ich arbeite noch heute für sie.»

Grace freut sich auch für ihre Kinder. «Die beiden Älteren schafften es, die High School abzuschliessen. Der erste steht auf eigenen Beinen. Und ich kann inzwischen in einem eigenen Haus schlafen. Das ist für mich ein grosser Segen für mich. Gott ist so treu!» Heute steht sie anderen bei, die in einer ähnlichen Situation sind, wie sie früher. Wenn am Ende des Monats noch etwas übrig ist, teilt sie es mit Menschen, denen es weniger gut geht.

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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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