Wie das Kneten des Teigs den Glauben formt
Kendall Vanderslice findet in der hohen Kunst des Brotbackens nicht nur ihre Berufung, sondern auch eine tiefere Verbindung zu Gott. Ihr Workshop-Konzept «Brotbacken als Gebet» zeigt, wie der einfache Teig zum Symbol für Tod, Auferstehung und die Kraft der Ruhe werden kann.
Für Kendall Vanderslice war die Küche schon immer mehr als ein Ort zum Kochen. Schon als Kind suchte sie dort Trost und Inspiration. «Wenn ich aufgeregt, ängstlich oder nervös war, fand ich Ruhe beim Backen, vor allem beim Brotbacken», erinnert sie sich. In den Bäckereien faszinierten sie als Kind die riesigen Knetmaschinen und das Wunder, wie aus einfachem Mehl in wenigen Stunden duftendes Brot entsteht.
Machbarkeit setzte unter Druck
Doch der eigentliche Wendepunkt kam am Ende ihrer Schulzeit. «Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte», erinnert sie sich. Aufgewachsen in einer kirchlichen Gemeinschaft, die grossen Wert darauf legte, Gott durch (vermeintlich) sinnvolle Taten zu dienen, fühlte sie sich unter Druck gesetzt. In ihrer Verzweiflung kehrte sie an den Ort zurück, der ihr immer Halt gegeben hatte: die Küche.
«Ich begann zu backen, um herauszufinden, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Und dann hatte ich diese Erkenntnis: Backen ist meine Berufung. Es ist mein Beitrag zur Gemeinschaft und zur Kirche.» Heute reist Kendall Vanderslice durch das ganze Land, um Menschen beizubringen, wie sie das Brotbacken als eine Form des Gebets erleben können. «Die Einfachheit des Backens ist eine heilige Aufgabe, und ich bin dankbar, dass ich diese Arbeit tun darf.»
Vom Garten Eden bis zum Hochzeitsmahl
Essen spielt in der Bibel eine zentrale Rolle – vom ersten Bissen im Garten Eden bis zum Hochzeitsmahl des Lammes in der Offenbarung. «Gott schuf den Menschen und setzte ihn in einen Garten voller köstlicher Früchte», erklärt Kendall Vanderslice. «Essen war von Anfang an ein Weg, Gemeinschaft mit Gott zu erleben und Freude an seiner Schöpfung zu finden.»
Doch Essen ist aber nicht nur Segen, sondern auch Herausforderung. Im Garten Eden wird die Geschichte des Sündenfalls durch den verbotenen Bissen erzählt – ein Mahl, das Tod und Zerstörung brachte. Doch beim letzten Abendmahl Jesu wird dieses Muster durchbrochen: «Brot und Kelch stehen für die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Gott und den Menschen», so Kendall Vanderslice.
Diese Symbolik zieht sich bis in die Offenbarung, wo das Bild vom Baum des Lebens auftaucht, der das ganze Jahr über Früchte trägt und Heilung bringt. «In der Bibel steht das Essen sowohl für die Zerbrochenheit der Welt als auch für Gottes Versprechen, sie wiederherzustellen.»
Das Brot als Symbol
Brot ist einfach und doch unglaublich komplex. Aus nur vier Zutaten – Mehl, Wasser, Salz und Hefe – entsteht eine unendliche Vielfalt. Doch das Wunder beginnt, sobald Wasser mit dem Mehl in Berührung kommt. «Die Proteine Glutenin und Gliadin verbinden sich zu Gluten – eine Umwandlung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann», erklärt Kendall Vanderslice. «Das erinnert mich an die Taufe. Auch dort beginnt eine geheimnisvolle Verwandlung, die uns für den Rest unseres Lebens begleitet.»
Der Prozess des Brotbackens ist eine Abfolge kleiner Tode und Auferstehungen: «Das Korn wird geerntet, getrocknet und zu Mehl gemahlen – es ist tot. Aber durch die Zugabe von Wasser und Hefe wird es wieder lebendig. Während der Teig ruht, wächst er, entwickelt Geschmack und Textur, bis er schließlich im Ofen stirbt, um als Brot neues Leben zu schenken. «Es ist kein Zufall, dass Jesus das Brot als Symbol für seinen Opfertod gewählt hat. Das Brot stirbt, um uns Leben zu schenken – genau wie Christus.»
Besonders fasziniert ist Kendall Vanderslice von der Bedeutung des Ruhens: «Das meiste, was den Geschmack und die Textur des Brotes ausmacht, geschieht, während der Teig und der Bäcker ruhen. Wenn wir den Teig zu sehr manipulieren, wird das Brot ungeniessbar. Wir müssen lernen, loszulassen und zu vertrauen.»
Die spirituelle Kraft der Ruhe
Vielen Menschen fällt es schwer, zur Ruhe zu kommen – ein Phänomen, das Kendall Vanderslice in ihren Workshops immer wieder beobachtet. «Wir denken oft, dass Ruhe Faulheit ist, dass wir erst ausruhen können, wenn wir alles erledigt haben. Aber Gott hat die Ruhe in die Schöpfung eingewoben. Am siebten Tag ruhte Gott und genoss die Früchte seiner Arbeit. Genauso sind wir eingeladen, zu ruhen, nicht als Belohnung, sondern als Teil des Lebensrhythmus.»
Für Kendall Vanderslice hat sich der Blick auf die Ruhe grundlegend verändert: «Ich frage mich nicht mehr, was ich verpasse, wenn ich ruhe, sondern was ich verliere, wenn ich nicht ruhe. Ohne Ruhe wird der Teig nie gut. Und genauso frage ich mich: Was lasse ich Gott in mir nicht tun, wenn ich keine Ruhe finde?»
Den Glaube mit allen Sinnen erleben
Für Kendall Vanderslice ist Glaube nicht nur etwas Spirituelles, sondern eine ganzheitliche Erfahrung. «Gott hat uns als Menschen geschaffen, mit Sinnen, die die Welt schmecken, riechen, fühlen und sehen können. Indem wir diese Welt erfahren, lernen wir mehr über unseren Schöpfer.»
Für Kendall wird der Alltag in der Küche zur spirituellen Praxis: «Wenn ich Teig knete, wenn ich den Duft von frisch gebackenem Brot einatme, wenn ich die Kruste breche – all das erinnert mich daran, dass Glaube nicht nur im Kopf stattfindet, sondern in jedem Aspekt unseres Lebens. Und genau hier, mit dem Mehl an den Händen und dem Teig unter den Fingern, begegnet mir Gott.»E
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