«Ich war wie in einem Tunnel»

Aleko Vangelis musste lernen, wie er Grenzen setzen kann
Der Autor Aleko Vangelis schreibt über gesunde Grenzen und seine Erfahrung damit. Er musste lernen, wie er Verantwortung für sich selbst übernehmen kann – auch anders als erwartet.

Als erstem von vier Söhnen wurde es mir in die Wiege gelegt, Verantwortung zu übernehmen. So habe ich im Alter von zwölf Jahren bereits ein Fussballteam trainiert, war mit 16 Jahren Leiter des Theater-Workshops von Ten Sing, der musisch-kulturellen Jugendarbeit des CVJM. Dieser rote Faden zieht sich durch mein Leben und hat mich auf meinem beruflichen Weg immer wieder vorangebracht.

In die Wiege gelegt: Führen und leiten

Verantwortung zu übernehmen, bedeutet, zu wachsen. Verantwortung übertragen zu bekommen, bedeutet, Vertrauen zu spüren. In der Jugendarbeit des CVJM habe ich die wertvolle Erfahrung gemacht, dass Menschen Potenzial in mir gesehen haben. Das hat mich ermutigt. Ich habe gemerkt, dass ich Dinge entwickeln und bewegen, Menschen begeistern und mitreissen kann. Parallel zu meiner Lehre als Industriekaufmann konnte ich in eine neue Welt eintauchen, Zugang zu Moderation und Gesang finden, gestalten und führen – und kam zum ersten Mal mit Persönlichkeitsentwicklung in Berührung.

Letztlich führte all das dazu, dass ich mich beruflich umorientiert habe. Nach der kaufmännischen Ausbildung habe ich mich am Evangelischen Seminar für Theologie als Jugendreferent und Diakon ausbilden lassen. Diese Zeit hat zu meinem Wachstum beigetragen: Moderationen vor über 10'000 Menschen, Aufbau von Gruppen und Training von Menschen. Mit rund 250 jungen Erwachsenen haben wir Camps mit mehr als 1'000 Kindern und Jugendlichen geleitet. Eine Erfahrung, die mich gelehrt hat: Ich führe gerne. Menschen folgen mir. Ich bewege etwas. Unterstützt wurde das durch die weitere Beschäftigung mit meiner Persönlichkeit und dadurch, dass der Glaube mich verändert hat. Denn ich habe gelernt, Gott und andere zu lieben, wie ich mich selbst liebe.

Verantwortung übernehmen heisst auch Loslassen

Doch bei meinem Arbeitgeber regten sich Widerstände, da die ältere Generation wohl Sorge hatte, von der jüngeren verdrängt zu werden. Die Arbeit kostete immer mehr Kraft in einer Phase, in der ich gerade Vater geworden war. Ich war wie in einem Tunnel, bis mich meine Frau eines Tages darauf ansprach, wie schlecht ich aktuell aussähe. In dem Moment bin ich zusammengebrochen und habe gemerkt, dass ich keine Energie mehr hatte, da ich über einen längeren Zeitraum gedacht habe, das schaffe ich aus eigener Kraft und mit meinen Gaben. Verantwortung zu übernehmen hiess in dem Moment, loszulassen und Grenzen zu setzen.

Lernfeld: Meine eigenen Grenzen bejahen

Ich durfte lernen, wo meine eigenen Grenzen liegen. Dieser Prozess war für die weiteren Jahre meines Lebens wesentlich: Zu lernen, wo ich mich früher zurücknehmen darf – und dass es völlig okay ist, dies zu tun. Diese Entwicklung war mit die schwerste in meinem Leben und sie hilft mir bis heute. Auch im weiteren Change zum Personalberater. Bei «Head and Heart» ist es unsere Aufgabe, Führungskräfte zu suchen, auszuwählen und zu trainieren. Ich darf heute meine schmerzvolle eigene Erfahrung positiv in unserer Unternehmensvision umsetzen: Führungskräfte zu Führungspersönlichkeiten mit Herz und Verstand zu entwickeln, die emotional reif und gesund führen, dabei selbst gesund bleiben und damit Deutschland zum Weltmeister im Umgang mit Menschen zu machen.

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Autor: Aleko Vangelis
Quelle: Magazin Movo 01/24, SCM Bundes-Verlag

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