Gospellady und Fast-Ehefrau von Bob Dylan
Von anderen Künstlern als warmherzige und äusserst positive Person beschrieben, erstaunt es nicht, dass sie häufig für Projekte in Musik und Film angefragt wird. Eine spezielle Zusammenarbeit lief beispielsweise mit dem extravaganten «Prince».
Auf die Frage, weshalb Mavis Staples (83) als letzte ihrer Kernfamilie noch am Leben ist, kennt sie keine andere Antwort, als dass sie immer noch ihre Gabe des Singens einsetzen soll. So habe sie es auch von ihrem Herrn Jesus gehört. Sie spricht oft mit ihm.
Lieder für Zuhause und Strasse
In Mavis Staples Zuhause trafen sich Gospelikonen wie Aretha Franklin oder Mahalia Jackson, die sich beim Grillfest die Teller füllten. Sie erzählt vom Familien-Cadillac, worin sie politische Lieder wie «Why?» (Weshalb werden wir so schlecht behandelt?) sangen oder in Strassenzügen damit die heissen Themen aufgriffen.
The Staples Singers mit dem Band-Oberhaupt und Vater plus dessen vier Kids wurden auch «Gottes grösste Hitmaschine» genannt. In der Nachbarschaft lebten Black-Music-Grössen wie Sam Cooke oder Mahalia Jackson, die ihr mal sagte, sie wolle sie singen hören und nicht ihren Vater oder die Geschwister. Worauf die kleine Mavis antwortete: «Sie werden mich hören, Ma'am, denn ich singe laut!»
Die Sängerin beabsichtigte einmal, das Singen an den Nagel zu hängen und Krankenpflegerin zu werden. Darauf meinte ihr Vater treffend: «Weisst du nicht – du bist schon eine Pflegerin.»
Mutmacher-Hymne und politische Songs
Mavis Staples hat so ziemlich alle Preise eingeheimst, die man sich vorstellen kann (Grammy für ihr Lebenswerk, Album des Jahres etc.) und wurde in die Hall of Fame des Gospels, Rock'n'Roll und Blues aufgenommen. Auch in einigen Spielfilmen wie dem sehenswerten «The Help» oder TV-Sendungen wie «The Cosby Show» war die Künstlerin zu sehen.
Bei der Staples-Formation wurde nebst dem Soulklassiker «Respect yourself» «I'll take you there» zu einer Mutmacher-Hymne, mit Worten wie diesen: «Ich kennen einen Ort: an dem niemand weint, wo es keine Sorgen gibt, keine Rassen… Ich bring Dich dahin…»
Durch die Freundschaft von Vater «Pops» mit Martin Luther King Jr. wurde die Gruppe Mitte der 60er-Jahre zur geistlichen und musikalischen Stimme der Bürgerrechst-Bewegung in den Staaten.
Ihre heutigen Musikabenteuer begeht Mavis unter anderem mit den geistlich verwandten Chance the Rapper and Kendrick Lamar oder den aktuellen Kultbands Gorillaz oder Arcade Fire.
Bob Dylan: «Du hättest mich heiraten sollen»
Die Sängerin kennt das Gefühl der Einsamkeit nur zu gut. Gerade, wenn sie weg von der Bühne ist und Zeit für tiefe Gefühle hat. Und manchmal käme sie fast nicht los davon, erzählt sie. Jemand sagte ihr einmal, dass sie vielleicht mit einem Therapeuten sprechen sollte. Da erwiderte sie: «Ich brauche keinen Therapeuten. Der Herr ist mein Therapeut. Er ist es, mit dem ich spreche, wenn ich Hilfe brauche.»
In den Bereich des familiären Lebens gehört auch eine gescheiterte Ehe, in der sie nicht genug Raum für ihr Musikleben sah. Dazu kam der spektakuläre Heiratsantrag von niemand Geringerem als dem «Fürsten aller Songwriter» selbst: Bob Dylan. Er hielt um ihre Hand an, erhielt jedoch eine Abfuhr. Trotzdem sind sich die Beiden immer noch nahe und touren zeitweise auch zusammen. Einmal sagte sie zu ihm: «Ich freute mich schon lange, dich wieder mal zu sehen», worauf Dylan antwortete: «Du hättest mich heiraten sollen, dann würdest du mich jeden Tag sehen!»
Ganze Familie verloren: Sie bleibt zum Singen
Apropos Einsamkeit: In ihrem Alter sind all ihre Familienmitglieder verstorben – und sie als Einzige übrig geblieben. Auf Musiktournee ist sie manchmal im Rollstuhl auf dem Flughafen unterwegs, der Tourmanager muss sie in den Band-Bus reinhieven oder die Betten sind ihr zu hoch. Da fragt sie sich manchmal: «Was mach ich hier eigentlich mit all den Kids?»
Darüber habe sie mit ihrem Gott gesprochen. Ein Journalist wollte denn auch wissen, ob er ihr geantwortet habe; Mavis Staples darauf: «Ja, tatsächlich, das ist der Grund, weshalb ich noch hier bin. Er sagt mir, wo ich richtig und wo ich falsch liege; aber nicht, wann meine Zeit gekommen ist. Ich sollte einfach immer bereit sein. Ich hab alles getan, wofür ich vorgesehen war. Ich bin zufrieden, habe das Erbe meines Vaters weitergelebt. Immer werde ich mit vollem Herzen singen und alles rauslassen.»
«Ich bin eine lebendige Kirche»
Die überzeugte Christin geht nicht mehr regelmässig sonntags in die Kirche. Sie hat nicht den Glauben, nur die Kirchengewohnheit verloren; und spendet auch ihren Zehnten. «Ich kann aufs WC gehen und beten, ich muss dafür nicht in eine Kirche gehen. Ich selber bin eine Kirche.»
Zur geistlichen und allgemeinen Lebenseinstellung sagte beispielsweise ihre nahestehende Tour-Partnerin und selber Musikstar Bonnie Raitt: «Sie ist ein Strahlenbündel an Sonnenschein. Sie ist nie beleidigt oder verletzt. Sie hat einen beständigen Glauben an Gott und seinen Plan und glaubt, dass die Welt zu einer höheren und stärker liebenden Welt wird.
Das glücklichste «alte Mädchen» dieser Welt
Auf ihrem letzten Album vom Dezember 2019 spielte sie mit dem groovigen Songwriter Ben Harper den Titelsong «We get by» mit der Anfangszeile «We get by on love and faith» (dt. Mit Liebe und Glauben schaffen wir das) ein. Harper spielte wiederum bei einem Song des zurzeit wohl angesagtesten Musikers Harry Styles mit.
Auf eines ihrer letzten Alben «Livin' on a High Note» mit all den berühmten Mitmusikern angesprochen, meinte Mavis berührt: «Ich lebe auf einer hohen Note, ich schwebe über den Wolken, bin einfach dankbar. Ich muss das glücklichste alte Mädchen auf dieser Welt sein. Ja, wirklich!»
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