Finnland: Erweckungs-Bewegungen suchen ihren Platz
Finnland wurde im 16. Jahrhundert unter schwedischer Herrschaft lutherisch. Im 18., 19. und 20. Jahrhundert kam es im ganzen Land zu grossen Erweckungen und geistlichen Erneuerungsbewegungen. Diese Erweckungsbewegungen blieben meist innerhalb der lutherischen Kirche, auch wenn sie ihre eigenen Vereinigungen und Organisationen gründeten. Die lutherische Kirche hat diese Gruppen immer als Teil ihrer offiziellen Missionsvereinigungen anerkannt.
Komplementäre Partner
Die Erweckungsbewegungen hatten einen grossen Einfluss auf das finnische Christentum insgesamt. In der Regel waren sie der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands (ELKF) unterstellt, und es gab eine Arbeitsteilung. Das Hauptziel der Erweckungsgruppen war immer die Evangelisierung des finnischen Volkes und die Vertiefung des geistlichen Lebens der Christen.
Die lutherische Kirche bietet durch ihre Ortsgemeinden Sonntagsgottesdienste, Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Seelsorge, diakonische Arbeit usw. an. Erweckungsbewegungen und -organisationen führen Kleingruppentreffen, Evangelisation und Missionsarbeit durch. Zeitweise gab es Spannungen, aber beide verstehen sich traditionell als komplementäre Partner.
Eigene Gottesdienste
Theologisch gesehen sind die Erweckungsbewegungen bibeltreu und lehnen die liberale Theologie ab. In den letzten zwanzig bis dreissig Jahren hat die theologische Liberalisierung der ELKF dazu geführt, dass die Erweckungsbewegungen und die lutherischen Organisationen, die eine konservativere Theologie vertreten, ihre eigenen Sonntagsgottesdienste eingeführt haben. Einige dieser Hauptgottesdienste sind eher traditionell und liturgisch geprägt, während andere zeitgemässe und moderne Gottesdienstformen verwenden.
Es ist ein grundlegender Schritt, dass diese Organisationen nun eigene Gemeinschaften um Wort und Sakrament bilden, etwas, das traditionell nur in der Verantwortung der örtlichen Kirchengemeinden lag. So praktizieren die Erweckungsbewegungen zunehmend das, was das Wesen des lutherischen Kirchenverständnisses ausmacht, wie es im Augsburger Bekenntnis (Artikel VII) heisst: «Die Kirche ist die Gemeinde der Heiligen, in der das Evangelium recht gelehrt und die Sakramente recht verwaltet werden.»
Wie sieht die Zukunft aus?
Werden die Erweckungsbewegungen in Zukunft Teil der lutherischen Kirche bleiben? Noch bezeichnen sich diese Bewegungen und Organisationen nicht als Gemeinden oder Pfarreien, auch weil sie einen offenen Konflikt mit der lutherischen Kirche vermeiden wollen, die diese Organisationen unter bischöflicher Aufsicht halten will.
Die Zeit wird zeigen, ob die Erweckungsbewegungen unter dem Dach der ELKF bleiben werden, die aufgrund der Säkularisierung Finnlands immer schneller an Mitgliedern verliert. Oder werden sie eigene, unabhängige lutherischen Kirchen gründen? Ein entscheidender Moment könnte eintreten, wenn die ELKF beginnen würde, gleichgeschlechtliche Paare offiziell zu trauen. Das könnte für die Erweckungsbewegungen zu viel sein.
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