Kommen alle Menschen in den Himmel?
«Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel. Weil wir so brav sind, weil wir so brav sind. Das sieht selbst der Petrus ein. Er sagt: ‚Ich lass' gern euch rein.‘ Ihr wart auf Erden schon die reinsten Engelein», heisst es in einem Karnevalsschlager. Doch stimmt das? Kommen alle in den Himmel? Schon während ich mir diese Frage stelle, legen sich Falten auf meine Stirn. Wie oft haben wir das Ganze rauf und runter diskutiert – damals im Theologiestudium, in der christlichen WG und auch an der Universität. Dabei sind wir viel zu oft in der Theorie hängen geblieben. Denn eigentlich geht es bei diesem Thema ja nicht um theologische Richtigkeiten, sondern um die viel persönlichere Frage: Kommen die Menschen, die mir lieb und wichtig sind, zu Gott? Was passiert mit Freundinnen und Freunden, die nie zum Glauben gefunden haben? Und was ist mit meinen Angehörigen?
Im Spannungsfeld zwischen Softies...
Wer so fragt, zeigt, dass ihm die Menschen in seinem Umfeld alles andere als egal sind. Und trotzdem, die Frage bleibt bestehen und so unterschiedlich die Fragesteller, so unterschiedlich sind auch ihre Antworten: Um es stark vereinfacht zu sagen, gibt es die Softies und die Hardliner. Persönlich würde ich euch natürlich nie so nennen, nur mal zur Veranschaulichung. Da sind die «Softies», die diese Frage ohne zu zögern mit einem klaren Ja beantworten. Natürlich, alle kommen in den Himmel. Klar! Wenn Gott Liebe ist, wie sollte er dann jemanden verstossen? Sollte der himmlische Vater ernsthaft seine Kinder verdammen? Oder anders gesagt: Sollte ein Schöpfergott, der das Leben will, seine Geschöpfe dem Tod preisgeben? Und überhaupt: Heisst es nicht in der Bibel «Jedes Knie muss sich beugen, jede Zunge muss bekennen, dass Jesus der Herr ist» oder auch «Gott will, dass alle Menschen gerettet werden»? Es sind längst nicht nur liberale Theologen, die so denken. Auch im bibeltreuen Pietismus gab und gibt es immer wieder Vertreter, die die Lehre von der Allversöhnung stark gemacht haben.
Zu denken, dass alle in den Himmel kommen, ist ein schöner Gedanke, der allerdings auch einen Haken hat: Denn wie steht es dann mit der Gerechtigkeit Gottes? Was macht es mit Betroffenen, die in ihrem Leben Gewalt erfahren haben: Ist es wirklich denkbar, dass sie ihrem Täter in der Ewigkeit begegnen? Oder noch krasser gefragt: Werden wir Menschen wie Adolf Hitler im Himmel wiedersehen? «Gott ist wohl barmherzig, er ist aber auch gerecht», mahnt der berühmte Heidelberger Katechismus. Aber was heisst diese Gerechtigkeit für die Frage nach dem ewigen Leben?
... und Hardlinern
Hier kommen die «Hardliner» ins Spiel. Für sie ist die Sache völlig klar: Nicht alle kommen in den Himmel, behaupten sie im Brustton der Überzeugung und manchmal staune ich, wie sicher sie sich bei dieser Frage geben.
Tatsächlich untermauern die Hardliner ihre These mit einer Vielzahl von Bibelversen, z. B.: «Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.» Sie betonen dann das «Wer an mich glaubt» und freuen sich an ihrer Heilsgewissheit. Gleichzeitig schliessen sie darauf, dass die «Ungläubigen» dieses ewige Leben eben nicht ererben. Sollte Gott sich denn auch jemandem aufzwingen, der sein Leben lang nichts von ihm wissen wollte? Viele andere Bibelverse gehen in eine ähnliche Richtung: «Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.» Auch dort steht also nicht: Alle sind Kinder Gottes.
Interessant ist es, mit den Hardlinern über ihre Glaubensbiografie zu sprechen. Oft haben sie eine bewegende Glaubensgeschichte hinter sich und sind einen anstrengenden Weg gegangen, um dort hinzukommen, wo sie heute sind. Manchmal kommt es mir vor, als blickten sie dann zurück und würden sagen: «Was? Du glaubst ernsthaft, dass man gar nichts dafür tun muss, um in den Himmel zu kommen?»
Dazwischen ringen, suchen, zweifeln
Soweit die unterschiedlichen Pole kurz skizziert. Die Frage bleibt: Wo müsste ich mich einordnen? Ich fürchte, irgendwo dazwischen. Als Prediger bringt mich das regelmässig in die Bredouille. Denn einerseits wäre es unredlich, eine Allversöhnung zu predigen, als könne man mit absoluter Sicherheit davon ausgehen. Das gibt der biblische Befund einfach nicht her. Auf der anderen Seite ist es nicht unsere Aufgabe, uns als Richter aufzuspielen, als wüssten wir genau, wer das ewige Leben bekommt und wer nicht.
Am sympathischsten sind mir die Menschen, für die weder die eine noch die andere Richtung «völlig klar» ist. Diejenigen, die ernsthaft suchen, ringen und zweifeln. Diejenigen, die sich nicht als Richter aufspielen, die weder die einen in den Himmel loben noch die anderen verdammen.
Manche Theologen reden darum von «Allversöhnung als begründete Hoffnung». Eine Position, der ich etwas abgewinnen kann. Hundertprozentig sicher bin ich mir bei dem allen aber nicht. Aber mit dieser Unsicherheit kann ich ganz gut leben.
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