Gottes Mund und Gottes Nase
Zunächst zu Gottes Mund, der an rund 60 Stellen der Bibel ausdrücklich genannt wird. An all diesen Stellen wird die Zuverlässigkeit und Wirkkraft von Gottes Reden besonders betont. Aus Gottes Mund kommen Weisung, Trost, Ermutigung (z. B. Jesaja Kapitel 40, Vers 5) aber auch Ermahnung und Gerichtsansage (z. B. Jesaja Kapitel 1, Vers 20). Die lebensfördernde Dimension von Gottes Mund sehen wir z. B. in 5. Mose Kapitel 8, Vers 3. Dort wird betont, «dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von allem, was aus dem Mund des Herrn hervorgeht». Jesus greift das auf, als er in der Wüste vom Teufel versucht wird, und bezieht es auf Gottes Worte (Matthäus Kapitel 4, Vers 4).
Aus Gottes Mund geht aber auch die Welt und das Leben überhaupt hervor, wie Psalm Kapitel 33, Vers 6 bezeugt: «Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht, und all sein Heer durch den Hauch [wörtlich: ruach / Wind / Geist] seines Mundes.» Was Gott sagt, das geschieht auch. Gottes Mund hat Kraft, die Leben schafft, weil der Heilige Geist das von Gott Gesprochene zur Umsetzung bringt.
Gottes Mund hat gewaltige Wirkung. Entsprechend fällt auch die Schilderung Davids über Gottes Eingreifen aufgrund seines Gebets aus: «Rauch stieg auf von seiner Nase und verzehrend Feuer aus seinem Munde; Flammen sprühten von ihm aus» (Psalm Kapitel 18, Vers 9). Was für eine gewaltige Szene! Ähnlich die Aussagen in Psalm 29 über Gottes Stimme: sie «donnert», «zerbricht Zedern», «sprüht Feuerflammen», «lässt die Wüste erbeben», «lässt Eichen wirbeln» und «reisst Wälder kahl». Gottes Mund ist nicht nur anmutig und schon gar nicht harmlos.
Auch bei Christus sehen wir, dass sein Mund sich im Gericht über die Völker durchsetzt: «Und aus seinem Mund ging ein scharfes Schwert, dass er damit die Völker schlage; und er wird sie regieren mit eisernem Stab» (Offenbarung Kapitel 19, Vers 15; vgl. auch Hebräer Kapitel 4, Vers 12).
Gott kann riechen
Kommen wir zu Nase Gottes. Die Bibel erwähnt sie an mehr als 160 Stellen und betont dabei zwei ihrer Funktionen: Zum einen nimmt Gott damit den Wohlgeruch von Brandopfern und guten Werken wahr. Zum anderen wird an Gottes Nase sein Zorn deutlich, zu dem ihn die Menschen immer wieder reizen.
Der Wohlgeruch der Brandopfer in Gottes Nase besänftigt ihn. Als beispielsweise Noah nach der Flut Brandopfer darbrachte und «der Herr den lieblichen Geruch roch» (1. Mose Kapitel 8, Vers 21), beschliesst Gott, die Erde bis zu ihrem Ende nicht mehr mit solch einer Vernichtung zu schlagen. Seine Nase bringt ihn also dazu, diese weitreichende wohlwollende Entscheidung zugunsten des Menschen zu treffen. Auch in der Opfergesetzgebung des Alten Testaments wird immer wieder betont, dass manche der Opfer dem Herrn ein «lieblicher Wohlgeruch» sind (z. B. 2. Mose Kapitel 29, Vers 18). Wenn ihm ein solcher Duft der Opfer in die Nase steigt, so sieht er freundlich und gnädig auf die Opfernden. Dabei geht es Gott sicherlich nicht um gut angebratenes und gewürztes Fleisch – also nicht um den physischen Vorgang. Opfer drücken ja aus, dass jemand Beziehung aufnehmen oder erneuern möchte. Dementsprechend werden in Offenbarung Kapitel 5, Vers 8 die Gebete der Heiligen als Räucherwerk bezeichnet. Gebete sind Gott also ein wohlgefälliger Geruch.
In Offenbarung Kapitel 8, Vers 4-5 erfahren wir dann, welche mächtige Wirkung diese Räucher-Gebete haben: Sie veranlassen Gott, den Heiligen Recht zu verschaffen und Gericht über die Erde auszuüben. Paulus greift das Bild vom wohlgefälligen Opfergeruch in Philipper Kapitel 4, Vers 18 auf, bezieht es dort aber auf die Versorgung und Unterstützung, die er von seinen Mitarbeitern erhalten hat: «ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig». Für Gott «riecht» barmherziges, fürsorgliches und unterstützendes Handeln also gut und er und freut sich an dessen Duft.
Vor Zorn schnauben
In manchen Fällen aber steht Gottes Nase nicht für das Riechen, sondern für die starke Emotion von Zorn, zu der ihn die Menschen immer wieder reizen. Das hebräische Wort für Nase heisst aph, und das bedeutet zugleich auch Zorn, weil dieser an der Nase besonders deutlich wird. Auch in der deutschen Sprache kennen wir diesen Zusammenhang und sprechen davon, dass jemand «vor Wut [mit der Nase] schnaubt».
Sehen wir uns ein paar biblische Beispiele an, die den Zusammenhang von Nase und Zorn verdeutlichen: In 2. Mose Kapitel 4, Vers 14 begegnet uns der Zorn Gottes darüber, dass sich Mose bei seiner Berufung beständig weigert, Gottes Auftrag anzunehmen. Nach Luther heisst es: «Da wurde der Herr sehr zornig über Mose». Wörtlich steht dort, dass «Gottes Nase brannte». Im Zorn entbrennen – das ist eine sehr starke Emotion. Noch höher schlagen Gottes Emotionen, wenn Israel sich anderen Göttern zuwendet. In 5. Mose Kapitel 32, Vers 22 ist vom Auflodern des Feuers Gottes in seiner Nase die Rede: «Denn ein Feuer ist entbrannt durch meinen Zorn [= in meiner Nase] und wird brennen bis in die unterste Tiefe und wird verzehren das Land mit seinem Gewächs und wird anzünden die Grundfesten der Berge.»
Die Bibel spricht zwar von Gottes Zorn, aber sie betont dabei auch, dass Gott seinen Zorn niemals unkontrolliert oder ungebremst über die Menschen ergiesst. Im Gegenteil: Seine Langmut, seine Geduld, seine Barmherzigkeit und seine Gnade überwiegen stets die «brennende Nase» bei Weitem! Die Kernstelle hierzu ist 2. Mose Kapitel 34, Vers 6-7: eine Beschreibung, die ganz zentral das Wesen Gottes trifft und die deshalb in der ganzen biblischen Überlieferung breit aufgegriffen wird (z.B. im Jonabuch Kapitel 4, Vers 2). Diese Stelle betont, dass Gott eine «zeitverzögerte Nase» hat – erech apajim, eine Langsamkeit des Zorns. Das gibt es also, dass eine «lange Nase» einmal positive Bedeutung hat. Luther hat das treffend mit «geduldig» übersetzt: «Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von grosser Gnade und Treue».
Was den Zorn angeht, ist Gottes Nase also langsam – zugunsten des Menschen. Was den Wohlgeruch der Opfer, Gebete und guten Werke angeht, hat Gott hingegen eine sehr feine Nase – ebenfalls zugunsten des Menschen.
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