Von Wölfen und Schafen
Wölfe und Schafe scheinen füreinander gemacht zu sein. Die Rollen sind klar verteilt, und wenn nicht ein Hütehund oder ein guter Schäfer dabei ist, haben die armen Wolleträger keine Chance. Nur rennen können sie, aber das kann der Wolf ja auch. Ihr Schicksal ist besiegelt, wenn er kommt. Ein Wolf kann unter vielen Schafen ein Blutbad anrichten. Kein Wunder, dass Bauern und Hirten auf die Barrikaden gehen und sich Wut und Frust breit macht angesichts der Tatsache, dass hierzulande das Leben von Wölfen ungleich mehr geschützt wird als das der Schafe.
Umgekehrt
Und nun das: «Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe» (Lukas, Kapitel 10, Vers 3) – das ist einer der starken Sprüche von Jesus, die so paradox sind, dass es sich schon wieder hinzuhören lohnt. Geht`s eigentlich noch, Jesus? Was verlangst du da von deinen Nachfolgern?
Es ist heute üblich, dass das Christsein mit allen positiven Noten bedacht wird, um bloss einige zu gewinnen: Glück, Frieden, Harmonie – das bekommst du, wenn du beginnst zu glauben. Einige versprechen noch Wohlstand dazu. Und christliche Literatur und Webseiten sind voll von Ratschlägen, «wenn denn mal Probleme kommen». In unserem «Bibelbastelbogen»-Glauben kommen Herausforderungen, ja Gefahren kaum vor. Wer sollte denn dann noch Christ werden? Probleme haben wir doch sonst schon genug!
Keine seichte Wohlfühlreligion
«Schafe unter Wölfe» – immer, wenn es so paradox wird, ist eine tiefe Wahrheit dahinter verborgen. Hier ist es eine Tatsache, ohne die das Christsein eine seichte Wohlfühl-Religion wird. Jesus ist knall-ehrlich und erklärt: Wenn du mir nachfolgst und meine Sendung in die Welt zu deinem Lebensstil machst, wird’s gefährlich. Rechne mit Widerstand. Und es ist so: Überall auf der Welt kommen die Christen dran, keine Religion trifft auf so viel Hass wie der Glaube an den Erlöser der Welt, den sie ja schliesslich auch «aufs Kreuz gelegt» haben. Denn keiner stellt das System dieser Welt so radikal in Frage wie er. Friede statt Hass, Vergebung statt Vergeltung, Hingabe statt Egotrip: Wer Jesus ernst nimmt, lebt in vielem anti-kulturell. Und zwar nicht mit Waffengewalt und einem Arsenal von Totschlag-Argumenten, sondern – wie Schafe unter Wölfen eben.
Die logische Frage
Die Frage liegt auf der Hand: Wieso dann glauben, wenn es so «gefährlich» ist? Jesus hat ja Männer und Frauen um sich, die er gerufen hat, die auf geheimnisvolle Art von ihm angezogen waren und die bereit waren, alles auf die eine Karte «Jesus» zu setzen. Seine Attraktivität liegt bis heute nicht zuerst darin, dass er uns happy macht, sondern dass er «die Welt überwunden hat» und wir Schafe in ihm einen Hirten bekommen, wie es sonst keinen gibt. Nirgendwo sonst gibt es völlige Vergebung, den Ruf in die persönliche Beziehung zu Gott, einen Sinn, der nicht aus den Um- und Zuständen dieser Welt kommt und einen Frieden, der oft höher ist als alle Vernunft, inklusive die eigene Unvernunft.
Himmelfahrtskommando
Nun also die Tatsache: Ich sende euch. Schafe unter Wölfe, im wahrsten Sinn des Wortes ein «Himmelfahrtskommando»: Bei seiner Himmelfahrt wiederholte Jesus diesen Auftrag, und bis heute haben seine Schafe unter den Wölfen dieser Welt einiges angerichtet. Es ist uns nicht versprochen, dass das Christsein aus Friede, Freude und Eierkuchen besteht. Aber versprochen ist gerade denen, die für ihn unterwegs sind: «Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf der Erde gegeben» und «Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt» – beides ist Bestandteil des Sendungsauftrags von Matthäus Kapitel 28, Verse 18-20. Der Hirte ist dabei, und die Wölfe können nicht immer so, wie sie wollen.
Jawohl, wir können drankommen und es kann ungemütlich werden. Es kann viel kosten. Aber es lohnt sich, und rückblickend werden wir mal sagen: «Was also könnte uns von Christus und seiner Liebe trennen? Leiden und Angst vielleicht? Verfolgung ? Hunger? Armut? Gefahr oder gewaltsamer Tod? 36 Man geht wirklich mit uns um, wie es schon in der Heiligen Schrift beschrieben wird: `Weil wir zu dir, Herr, gehören, werden wir überall verfolgt und getötet – wie Schafe werden wir geschlachtet!` Aber dennoch: Mitten im Leid triumphieren wir über all dies durch Christus, der uns so geliebt hat. Denn ich bin ganz sicher: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Dämonen, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch irgendwelche Gewalten, weder Hohes noch Tiefes oder sonst irgendetwas auf der Welt können uns von der Liebe Gottes trennen, die er uns in Jesus Christus, unserem Herrn, schenkt.» (Römerbrief Kapitel 8, Verse 35 – 39).
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