Selbstbestimmt gestorben

Es ist eine grosse ethische Diskussion, ob ein Mensch das Recht hat, das Ende seines Lebens selbst zu bestimmen. Der Tod ist meistens ein Ereignis, das von aussen an einen herankommt. Nicht so allerdings an diesem Freitag.

«Mir nimmt niemand das Leben. Ich gebe es selbst», hatte er gesagt. Wohlgemerkt: nicht «Ich nehme mir selbst das Leben», sondern «ich gebe es hin». Am Karfreitag feiern wir nicht die Tragik, dass da ein junger Idealist mit 33 Jahren scheiterte. Von aussen könnte es allerdings durchaus so aussehen, dass da einer von den Mächtigen umgebracht wurde, nicht wahr? Er hatte schliesslich alle provoziert mit seinen Sprüchen und Ansprüchen. «Lebt nicht wie die religiösen Heuchler», hatte er gefordert. «Liebt eure Feinde», hatte er gesagt – und das in einem besetzten Land. Als Sohn des Allerhöchsten hatte er sich bezeichnet. Er zeigte einen alternativen Weg, zu leben, und stand ziemlich quer in der kulturellen und religiösen Landschaft. Darum war es nur logisch, dass sich die weltliche und die geistliche Macht zusammen taten und kurzen Prozess mit ihm machten.

Die Wirklichkeit ist ganz anders

So sah es von aussen aus – kurzer Prozess mit einem Möchtegern-Messias. Die Wirklichkeit aber war ganz anders. Jesus starb total selbstbestimmt. Jeden Schritt hin zu seinem Sterben tat er bewusst und aus eigener Entscheidung. Er wandte sich bewusst nach Jerusalem, obwohl er wusste, was ihn dort erwarten würde. Er liess es zu, dass die Massen ihn als Messias feierten, obwohl er wusste, dass das eigentlich sein Todesurteil war. Er kannte den, der ihn verraten würde – und forderte ihn geradezu auf, jetzt vorwärtszumachen: «Was du tust, das tue bald», sagte er zu Judas, seinem Verräter. Er versteckte sich nicht und wehrte sich nicht, als er gefangen genommen wurde. «Ich könnte Tausende von Engeln zur Hilfe rufen», sagte er, als seine Freunde für ihn kämpfen wollten. «Aber ich tue es nicht.»

Triumph des bewussten Handelns

Nein, dieser Tod von Jesus am Kreuz war kein Scheitern, sondern ein Triumph des bewussten Handelns. Der, der da so zerschlagen, nackt, ausgepeitscht und blutig am Kreuz hing, liess sich bewusst töten. Er verstand sich als Büsser für die Sünden der ganzen Welt – ein Akt der ultimativen Liebe zu den Menschen. «Niemand hat mehr Liebe als einer, der sein Leben gibt für seine Freunde», sagte später einer seiner Nachfolger. Jesus starb selbstbestimmt. «Mir nimmt niemand das Leben, sondern ich gebe es freiwillig», erklärte er. Liess sich aufs Kreuz legen und bezahlte für die grosse Schuld der Menschheit.

Der Tod läuft rückwärts

Was da in diesen paar dunklen Stunden am Karfreitag geschah, hatte ungeheure Konsequenzen für die Geschichte des ganzen Kosmos – und für unser Leben. Der Wendepunkt der Geschichte. Ein Unschuldiger gab sich dem Tod in die Hände, total wehrlos und bis zur bitteren Neige. Zwei Tage später war dieser Tote lebendiger denn je. Zum ersten Mal ging einer voll in den Tod und kam am andren Ende siegreich wieder heraus. Seitdem hat dieser «letzte Feind», der Tod, nicht mehr das letzte Wort.

Darum ist Karfreitag im vollen Sinn ein Feier-Tag. Wer sich an diesen Jesus hängt, erfährt eine neue Qualität von Leben – vor und nach dem Sterben. Ein Leben, das nicht mehr vom Sterben überschattet wird. Am Ende steht das Leben, vereint mit dem Schöpfer und seinem Universum.

Zum Thema:
Glauben entdecken
Ein Grund zum Feiern: Karfreitag ist das Ende
Im Leid nicht allein: Von Hoffnung und vom Himmel
Theologieprofessor Yong: «Karfreitag und Ostern geben uns Hoffnung in allen Nöten»

Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung