«Im Namen des Vaters und der Mutter…»
Für mich als Teilzeit-Landeskirchler, der zwar Mitglied der reformierten Kirche ist, sich aber grundsätzlich im freikirchlichen Umfeld zu Hause fühlt, ist die Vielfalt innerhalb der Reformierten Pfarrämter immer wieder verblüffend. Zum Beispiel beim Thema Sprache.
Zum Abschluss eines Blocks der Kirchlichen Unterweisung unserer Tochter besuchten wir einen reformierten Gottesdienst in unserer Stadt, bei dem auch zwei Taufen auf dem Programm standen. Es war eine schön gestaltete Abendmahlspredigt mit Elementen, die von den Kindern gestaltet wurden und andächtigen Orgelchorälen.
Was mich jedoch aufhorchen liess, war die auffällig gendergerechte Sprache, die ich mir als Freikirchler nicht gewohnt bin. Die Taufe geschah nicht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, wie ich das bis dato kannte, sondern «im Namen des Vaters und der Mutter».
Liturgischer Text in «gerechter» Sprache
Konkret lautete die Taufformel wie folgt:
«Ich taufe dich auf den Namen Gottes,
Mutter und Vater (Kreuz mit Wasser),
in Jesus Christus Mensch geworden (Kreuz mit Wasser),
im heiligen Geist dir nah (Kreuz mit Wasser).»
Auf Rückfrage schreibt die evang.-ref. Pfarrerin Ruth Oppliger, die den Gottesdienst in Burgdorf geleitet hat, die von ihr verwendete Formulierung beim Taufakt lehne sich an die Vorschläge des Werks «Der Gottesdienst – Liturgische Texte in gerechter Sprache» an. «Schon in meinem Studium haben wir uns intensiv mit zeitgemässen Formulierungen biblischer und theologischer Inhalte in Anlehnung an die historisch kritische Methode befasst», so die Pfarrerin weiter. Die Taufformel basiere auf trinitarischer Basis.
Ein sprachlicher Murks?
Spannend ist, wie uneinig sich die reformierte Kirche bei diesen Themen ist. So schreibt Hans Herrmann, der Redaktionsleiter der monatlichen Zeitung «reformiert.», ganz unverblümt auf seinem Blog unter dem Titel «Love me gender», «die Verwendung geschlechtsneutraler und (angeblich) diskriminierungsfreier Begriffe ist ein von einer lautstarken, unduldsamen Mikro-Minderheit eingeforderter sprachlicher Murks, den (fast) niemand will».
Der reformierte Theologe und Journalist bezieht sich dabei nicht nur auf sein eigenes Befinden als «ein bisschen konservativ gewordener 60-Jähriger», sondern auf Fakten: «Ein grosses Schweizer Medienhaus hat zu diesem Thema jüngst eine Umfrage durchgeführt, somit ist es jetzt quasi amtlich: Etwa drei Viertel der Bevölkerung in der Schweiz lehnen das ‘Gendern’ öffentlich und privat ab, den Genderstern sogar 95 Prozent. Sehr ähnlich sieht es in Deutschland aus.»
Was die Bibel eigentlich meint
Da vor ein paar Tagen Benjamin Kilchör zu Gast war im Livenet-Talk, ebenfalls reformiert geprägter Theologe und Professor für Altes Testament an der STH Basel, bat ich auch ihn um eine Einschätzung zu diesem gendergerechten Taufspruch. Seine Antwort gibt’s hier in voller Länge:
Die Bibel in gerechter Sprache trägt eine der Bibel fremde Ideologie in den biblischen Text ein, weshalb ich ihr ablehnend gegenüberstehe. Es gibt einzelne berechtigte Anliegen, die meist in neueren Übersetzungen aufgenommen sind. So unterscheiden sich in den biblischen Sprachen die männliche und weibliche Form oft nur in der Endung, wobei für gemischte Gruppen die männliche Endung gewählt wird. Griechisch «Adelphoi» kann z.B. «Brüder» oder auch «Geschwister» bedeuten. Es macht Sinn, dort wo Frauen mitgemeint sind, mit «Geschwister» zu übersetzen, in alten Übersetzungen hat man aber immer «Brüder».
Es gibt einige wenige Stellen, die Gott mit einer Mutter vergleichen, z.B. Jesaja Kapitel 66, Vers 13, wo Gott sagt «Wie eine Mutter tröstet, so tröste ich euch». Gott hat also durchaus auch eine mütterliche Seite. Er wird in der Bibel aber nie als Mutter angeredet. Anstatt darum die Bibel anzupassen, sollte man besser darüber nachdenken, was das, was uns in der Bibel begegnet, bedeutet. Männlich und weiblich sind in der Bibel nicht nur Geschlechterkategorien, sondern bilden etwas Grösseres ab, was im Kosmos (Himmel und Erde) und letztlich in Gott selbst seinen Ursprung hat.
Nur zwei Beispiele: Senden ist männlich, Empfangen ist weiblich. Der Same ist männlich, die Erde, die den Samen aufnimmt, nährt und wachsen lässt, ist weiblich. In diesem Sinne ist Gott z.B. männlich, weil er sein Wort (den Samen) und seinen Sohn zu uns sendet und das Gottesvolk weiblich, weil es das Wort und den Sohn Gottes empfangen, beherbergen und Frucht bringen soll. Kehrt man das um, dann ist man plötzlich beim Turmbau zu Babel, wo nicht der Himmel zur Erde kommt, sondern die Erde versucht, zum Himmel zu kommen (Senden und Empfangen werden verkehrt).
Bei der biblischen Sprache und Rede von Gott geht es also nicht um einen Geschlechterkampf, sondern um eine tiefere Symbolik der Geschlechter, die ihren Grund hat. Sie ist aber nicht mit einer Wertung von «Männlich» und «Weiblich» verbunden: Nur in der rechten Verbindung von Mann und Frau, von Himmel und Erde, kann Leben empfangen und weitergegeben werden (im biologischen und im geistlichen Sinne).
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