Ganze Wellen auf dem heissen Stein

«Osteuropa Mission» auf einer Mission
Manchmal denken Menschen, was sie tun wäre nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Doch oft zieht dies viel weitere Kreise, beobachtet Sarah-Melanie Garcia von der «Osteuropa Mission». Ausserdem führt der Ukraine-Krieg zu einer grossen Sinnsuche.

Sarah-Melanie Garcia, wo genau arbeitet die Osteuropa Mission und was sind die gegenwärtigen Haupttätigkeiten?
Sarah-Melanie Garcia:
Unsere Einsatzgebiete sind Ungarn, Ukraine, Rumänien, Serbien, Kosovo, Albanien und Georgien. Zu unseren Haupttätigkeiten gehören der Lebensmittel- und Hilfsgüterdienst, sowie Familien- und Kinderprojekte. Das sind auch die nachhaltigsten Dienste, damit Kinder bleibend aus der Armut kommen. Von diesen Haupttätigkeiten abgesehen, ist es unseren Mitarbeitern ein Anliegen, den Notleidenden genau zuzuhören, um zu verstehen, was sie brauchen. Entsprechend weit gefächert sind unsere diversen Hilfsprojekte.

Einige Frauen halfen fleissig dabei, die Nahrungsmittel zu verteilen

Der Eiserne Vorhang ist vor über 30 Jahren gefallen – wie sieht es heute bezüglich der Offenheit für den Glauben in den Gegenden aus, in denen die OEM tätig ist?
Aktuell erleben wir eine grosse Offenheit dem Glauben gegenüber. Die Menschen in Osteuropa sind durch die Eskalation des Krieges in der Ukraine in noch grösserer Bedrängnis als sonst und suchen daher mehr denn je echte Kraft und einen Sinn im Leben. Ich bin seit gut zwei Jahrzehnten in sozialer Arbeit tätig, sowohl im In- als auch im Ausland und bin viel menschlichem Leid begegnet. Ich hielt auch regelmässige Diskussionsrunden über den Glauben ab und eine der häufigsten kritischen Anmerkungen war die Aussage: «Menschen in Not klammern sich an jeden Strohhalm.» Damit soll ausgedrückt werden, dass auch der Glaube an und die Beziehung mit Christus weiter nichts als ein Placebo oder «Opium für das Volk» darstellen, um der Realität und den Schmerzen des Alltags zu entfliehen. Wie also soll man die Hinwendung zu Christus in Zeiten der Not bewerten? Ganz einfach am Resultat. Denn im Gegensatz zu Drogen oder einem «Glauben an den Glauben» hat Christus die Macht, vollständig wiederherzustellen. Anders formuliert, wenn jemand in Flammen steht oder sich im freien Fall befindet, dann kann ihn auch die grosse Macht der Autosuggestion nicht mehr retten. Dann kann nur ein echter Retter helfen. Genau das ist Gott und darum wenden sich Menschen ihm zu, wenn sie in grösste Not geraten. Denn nur Christus kann selbst dann noch helfen, wenn alles andere versagt. Die Kraft, die er schenkt, führt dazu, dass man sich der Wahrheit stellen kann, ohne dabei zugrunde zu gehen.

Solche Wiederherstellung durfte ich oft beobachten. Das ist jedes Mal ein besonderes Wunder für mich, denn ein Mensch, der Hilfe und Veränderung durch Christus erfährt, wird über allem auch gänzlich frei von Härte, Bitterkeit oder Hass! Die liebende Wiederherstellung in Jesus ist tatsächlich so mächtig, dass der Mensch, der diese starke Hilfe empfängt, selbst ganz weich und voller Mitgefühl werden kann. Wenn man das bei Menschen sieht, die Schreckliches durchleiden mussten, ist es sehr beeindruckend. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt wieder eine grosse Offenheit für den Glauben an Gott erleben. Menschen brauchen dringend etwas, das sich der Realität stellt und dabei stärker ist als alles Leid und Unrecht der Welt und das findet sich allein in Christus und seinem Wort.

Können Sie ein, zwei Lebensgeschichten mit uns teilen, bei denen Menschen durch Ihre Arbeit verändert worden sind?
Da fällt die Auswahl nicht leicht, doch eine Geschichte beschäftigt mich immer wieder. Es ist die Geschichte eines Mitarbeiters und sie begann vor annähernd 50 Jahren. Damals war er noch ein kleiner Junge und seine Familie erlebte unter der Herrschaft von Ceaușescu schweren Mangel. Sie litten Hunger und flehten Gott um Hilfe an. Da pochte es eines Nachts an ihre Tür und als sie sie öffneten, fanden sie ein Paket mit Lebensmitteln. Dies geschah von da ab regelmässig. Der Mitarbeiter erinnert sich noch lebhaft an diese «Engel der Nacht», wie er sie nannte. Dies waren die ersten Mitarbeiter der Osteuropa Mission. Damals schwor der Junge bei sich selbst, er werde anderen Menschen einmal so helfen, wie ihm geholfen wurde. Genau das tut er bis heute! Seit über 30 Jahren arbeitet er mit seiner Frau nebenberuflich zusätzlich für die OEM. Sein spezieller Hilfsdienst, die «Trainingsschule», die er nebst den Lebensmittelpaketen betreibt, ist einer der nachhaltigsten Dienste der OEM. Er hat damit bereits das Leben von Generationen von Kindern und Familien verändert, ebenso wie einst sein Leben verändert wurde. Genau das ist es, was wir beobachten. Wir denken vielleicht: «Was wir tun, ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein.» Doch das stimmt nicht. All das Gute, das wir tun, kommt nie leer zurück, sondern die Menschen, die das Gute erfahren, geben es ihrerseits wieder weiter. Einige wenig, andere vielfach.

Sarah-Melanie Garcia

Gibt es neue Projekte, die bei Ihnen anstehen?
Wir haben neu das Projekt «Studentenpatenschaften» für akademisch begabte Kinder aus armen Familien, die sich nie ein Studium leisten könnten. Und wir versuchen das erste Mal, eine Tombola für den Weihnachtsmarkt in Ebnat-Kappel zu organisieren. Der Erlös geht komplett an Familien in Not.

Was bewegt Sie persönlich bei Ihrer Arbeit besonders?
Zusehen zu können, wie Gott wirkt. Wie zerbrochene Leben und Menschen, die sich wertlos fühlten, wiederhergestellt werden und aufblühen.

Was können wir im deutschsprachigen Europa aus der Arbeit von OEM lernen?
Die Arbeit der OEM wurzelt in der Schweiz und beinhaltet unsere schweizerische Ethik der Zuverlässigkeit und die biblischen Grundsätze der Nächstenliebe. Es gibt aber etwas, das wir in der deutschsprachigen Welt von unseren Geschwistern im Osten lernen können und das ist ihre spezielle Herzlichkeit und ihre grosse Hilfsbereitschaft. Es liegt ihnen näher, Armen oder Schwachen beizustehen, ohne sie zu verurteilen. Freilich gibt es solche Christen auch hierzulande, was mich sehr freut, doch es herrscht bei uns nicht (mehr) eine Kultur des Helfens und der Herzlichkeit, von der Art, wie ich es in Ost- und Südeuropa erlebt habe. Davon können wir, denke ich, noch lernen.

Zur Website:
Osteuropa Mission

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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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