«Wir sind keine Opfer!»

Tabea und Matt Oppliger waren zu Gast im Livenet-Talk.
Im Livenet-Talk geht es um Israel. Tabea und Matt Oppliger, welche die letzten zehn Jahre in Tel Aviv lebten, geben Einblick, was die Leute dort wirklich beschäftigt.

Eine neue Anti-Israel-Stimmung kommt auf. An vielen Orten ist das spür- und sichtbar. Für Leute wie Tabea und Matt Oppliger, welche in Israel eine Heimat gefunden haben, ist dies eine zunehmende Herausforderung. Im Livenet-Talk sprechen sie darüber.

Nach dem Schock geht das Leben weiter

«Die Situation beschäftigt mich natürlich», sagt Matt, welcher die Lage in Israel täglich – aktuell von der Schweiz aus – verfolgt. «Ich habe ein Team dort und spreche täglich mit ihnen.» Aufgrund des ausstehenden Entscheids für Oppligers permanente Aufenthaltsbewilligung in Israel, welcher sich nicht zuletzt aufgrund des herrschenden Krieges in die Länge zieht, lebt Familie Oppliger aktuell in der Region Thun.

«Das Krasse in Israel ist, dass man sofort weitergeht», schildert Tabea die Mentalität der Leute. «Zuerst war natürlich ein Schock, als täglich Raketen geflogen sind.» Firmen mussten für ihre Angestellten die Möglichkeit schaffen, sehr schnell in einem Schutzraum unterzukommen. Kann dies nicht gewährleistet werden, müssen irgendwelche Lösungen gefunden werden. «In Israel ist man sehr gut darin, irgendwelche Lösungen zu finden.» Doch dann gehe das Leben sehr schnell wieder weiter.

Israel: Das Zuhause von Familie Oppliger

Seit zehn Jahren leben Oppligers bereits in Israel; da existiert natürlich ein starkes soziales Umfeld. Matt erzählt, wie sie mit ihren Freunden in Israel kommunizieren. Ihre Kinder würden beispielsweise über WhatsApp einen sehr regen Austausch mit ihren Schulkameraden in Tel Aviv führen.

Und auch sonst sind sie in Israel verwurzelt. Tabea berichtet, wie sie die Frage, woher sie komme, meist automatisch mit «ich bin aus Tel Aviv» beantwortet. Daraus ergeben sich dann viele Gespräche, wobei es meist um den Krieg gehe. «Das Thema nehmen wir schnell persönlich – weil es für uns auch persönlich ist.» Bekannte von Oppligers mussten ihr Leben lassen. «Eine Volontärin von uns musste sich sechs Stunden in einem Baum verstecken und erlitt dabei ein Trauma, bei welchem es lange dauerte, bis sie wieder zu uns zurückkam.»

Selbsternannte Experten, komplizierte Konflikte und Antisemitismus

Der Konflikt in Israel dauert nun bereits mehr als ein halbes Jahr. In der Schweiz ermüdet das Thema bereits viele und so schenken sie ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen. Dazu kommt, dass sich das Thema als so kompliziert zeigt, wie es wirklich ist. Doch obwohl es schwierig ist, sehen sich manche als Experten. Tabea empfindet dies als schwierig und hält fest, dass die Leute oftmals keine Ahnung haben, was in Israel eigentlich abläuft. Liegt es am Wunsch, komplexe Sachverhalte einfach zu machen und dann eine klare Meinung zu vertreten? Oder sind wir teilweise auch Zeuge eines sich aufbäumenden Antisemitismus?

Im Talk teilt Matt seine Sicht über mögliche Gründe der polarisierenden Ansichten zu Israel. Dabei spricht er von Geschichte, Politik und geistlichen Hintergründen. Jerusalem als Zentrum von Judentum, Islam und Christentum birgt auf jeden Fall Spannungspotential. Was Oppligers betonen ist, dass es auch in Israel verschiedene Ansichten gibt. Nicht alle stimmen mit der Linie der Regierung überein und es gibt das übliche politische Meinungsspektrum von links bis rechts.

Tabea erwähnt zwei Freunde – ein Israeli und ein Palästinenser – welche beide ihre Eltern durch Gewaltakte ihrer jeweiligen Feinde verloren haben und trotzdem als Freunde zusammenstehen. «Sie glauben an Frieden und sie glauben an eine Lösung. Es ist wichtig, dass man auch solche Leute sieht.»

Hingabe an verschiedene Menschen

Tabea erzählt, wie viele Israelis es leid sind, sich dafür verteidigen zu müssen, dass sie sich gegen die Feinde, welche sie brutal überfallen haben, verteidigen. Es ist eine schwierige Situation, welche noch zusätzlich schwieriger wird, wenn sie das Gefühl haben, die an ihnen verübten Gräueltaten erst noch beweisen zu müssen.

«Zehn Jahre lang haben wir unser Leben investiert für Israelis, aber auch für Palästinenser», erklärt Matt einen weiteren Grund, weshalb der Konflikt für sie so zermürbend ist. Dabei gibt er ein Zitat einer ehemaligen Ministerpräsidentin von Israel weiter: «Frieden ist erst möglich, wenn sie ihre Kinder mehr lieben als sie ihre Feinde hassen.» Matt spricht vom tiefen Hass auf Israel, welcher so gross ist, dass sich die Hamas mit ihren terroristischen Zentralen hinter und unter den Schulen ihrer Kinder verstecken. «Mit einem solchen Hass kann ich mich einfach nicht identifizieren.»

Überwinder haben keine Opfermentalität

«Wir sind nicht Opfer!», halten Oppligers fest und schliessen sich damit der Haltung vieler Israelis an, welche sich weniger als Opfer und vielmehr als Überwinder sehen. Oppligers Arbeit in Tel Aviv geht weiter. Sie bewundern die Haltung ihrer Teammitglieder, welche jeden Morgen aufstehen, um sich gegen den Menschenhandel einzusetzen. Sie sind Überwinder. Da gibt es keinen Raum für eine Opfermentalität.

Am Ende des Talks geben Tabea und Matt Einblick in ihr Familienleben, welche Entscheide sie treffen mussten und über die Sprachfähigkeiten ihrer Kinder. «Wir haben einen guten Familienzusammenhalt», ist Tabea in allem dankbar. «Wir diskutieren sehr viel und haben eine extrem gute Beziehung mit unseren Kindern.»

Sehen Sie sich den Talk mit Tabea und Matt Oppliger an:

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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