Angriff auf Heilsarmee-Mitarbeiter

Anni und Matthias Lindner leiten die Heilsarmee in Chemnitz
Die christliche Heilsarmee in Chemnitz kümmert sich um Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Nun wurde auf einen der dortigen Sozialarbeiter geschossen.

Die Heilsarmee ist seit vielen Jahren eine feste Grösse in der Stadt Chemnitz. Mit mobilen Einsatzteams betreuten die evangelischen Christen einst Jugendliche aus verschiedenen Stadtteilen, heute betreiben sie vor allem den Jugendclub «Club Heilse» und bieten ihren jungen Gästen Antiagressionstrainings und Kurse zum Aufbau von mehr Selbstwertgefühl an. 

Seit etwa einem Jahr engagiert sich die Heilsarmee in Chemnitz verstärkt unter Jugendlichen der Sinti und Roma – oder andersherum: Diese besuchen die Einrichtung nun verstärkt. Das scheint dem Umfeld stärker aufzustossen, als bisher bekannt war. Denn ein Sozialarbeiter wurde nun mit Stahlkugeln beschossen und am Rücken verletzt. 

Anni Lindner ist Kapitänin in der Heilsarmee-Einrichtung und damit Leiterin unter anderem des «Club Heilse». Die Jugendlichen der Sinti und Roma, die ihre Einrichtung in den jüngsten Monaten häufiger aufgesucht haben, seien lauter als es die Nachbarn gewohnt seien. Zudem kämen sie oft in grossen Gruppen, brächten Familie oder Freunde mit. «Aber wir sind natürlich froh, dass sie zu uns kommen und sich hier mit positiven Dingen beschäftigen», sagt Lindner. 

Stahlkugeln während Konzert abgefeuert

Vor knapp zwei Wochen richtete die Heilsarmee ein Konzert aus, dieses Mal in einem Kellerraum der Einrichtung. Wieder einmal war es laut, allerdings besteht Lindner darauf, dass das vor der offiziellen Nachtruhe gewesen sei. 

Ein Sozialarbeiter der Heilsarmee übernahm den Dienst am Einlass, bis ihn etwas im Rücken traf. Unmittelbar schlugen auch zwei Geschosse neben ihm ein, eines in die Tür, eines in einen Briefkasten. Die Wunde am Rücken sei schmerzhaft, aber keine ernste Verletzung gewesen, heisst es vonseiten der Heilsarmee. «Es ist eigentlich nicht viel passiert, aber beschossen zu werden, macht uns schon ein ungutes Gefühl», sagt Lindner im Gespräch mit PRO. 

Bereits früher Auseinandersetzungen mit Nachbarn

So alarmierte die Organisation die Polizei, die wiederum mehrere Stahlgeschosse, vermutlich mithilfe einer Zwille abgefeuert, sicherstellte. Die Ermittlungen laufen, mittlerweile ist auch der für Terror und politisch motivierte Kriminalität zuständige Staatsschutz involviert. Der Verdacht drängt sich auf, dass der Angriff aus nächster Nähe, eventuell aus der Nachbarschaft erfolgte. Denn die Heilsarmee hatte schon öfter Auseinandersetzungen mit Nachbarn, die sich von der Lautstärke gestört fühlten. «Die Jugendlichen dürfen auf unserem Gelände keinen Alkohol trinken und nicht rauchen, also gehen sie öfter in Gruppen in die Nebenstrassen», erklärt Lindner. Sie und ihr Team versuchten zwar, auch dort kleine Kontrollgänge zu machen, aber das sei nicht immer möglich.

Es habe in der Vergangenheit mehrfach Gespräche mit der Nachbarschaft gegeben, sogenannte Runde Tische, an denen die Heilsarmee darlegte, welche Angebote sie den Jugendlichen macht und warum sie die Arbeit mit ihnen trotz Lautstärke und anderer Probleme fortsetzen will: «Als Christen wollen wir den jungen Menschen weitergeben, dass sie geliebt und geschätzt sind. Und wir wollen sie erst recht nicht ausgrenzen, weil sie eine andere Kultur pflegen als wir», erklärt Lindner. 

Bei den Nachbarn sei das auf viel Zustimmung gestossen, aber nicht jeder habe an den Runden Tischen teilgenommen. Eine mögliche Erklärung für die jüngste Eskalation. Doch Lindner bleibt dabei: «Die Jugendlichen brauchen einen sicheren Ort.» Deshalb habe sie sich gemeinsam mit ihren Kollegen dazu entschieden, den Fall an die Öffentlichkeit zu tragen. 

«Ja, es ist sicher manchmal anstrengend, neben einem Jugendclub zu wohnen», gibt sie zu und betont, dass die Heilsarmee jeden Lärm unterbinde, wenn er auf dem eigenen Gelände und zu Ruhezeiten auftrete. «Aber dieser Angriff ist eine Grenzüberschreitung – und dagegen wollen wir uns wehren.»

In einer Mitteilung auf ihrer Webseite betont die Heilsarmee Chemniz, dass für sie kein direkter Zusammenhag der Tat mit dem kulturellen Hintergrund der Besuchenden erkennbar sei und sie darum bitten, von Mutmassungen und politischen Argumentationen abzusehen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

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Heilsarmee Chemnitz

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Autor: Anna Lutz
Quelle: PRO Medienmagazin

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