«Es wird sich wenig für die Christen verändern»

Recep Tayyip Erdogan
Am 28. Mai wurde Recep Tayyip Erdogan mit 52 Prozent als Präsident der Türkei wiedergewählt. Unter ihm hat sich die Situation der Christen im Land deutlich verschlechtert. Was bedeutet seine Wahl für die Zukunft der Christen?

Ein Spezialist im Thema Verfolgung, der aus Sicherheitsgründen nicht genannt wird, erklärte im Interview mit der Organisation Open Doors, dass der religiös-nationalistische Diskurs Erdogans wenig Platz für religiöse Minderheiten im öffentlichen Raum liesse: «Laut seines Diskurses ist ein ‚echter‘ Türke ein sunnitischer Muslim. Wenn du also Kurde, Armenier oder Syrer bist, wirst du im besten Fall verdächtig beäugt.» Dasselbe gelte für ethnische Türken, die zum Christentum konvertiert sind.

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Erdogan den bisher beschrittenen Kurs weiterführt, in dem religiöse Minderheiten keinen Platz haben. «Gleichzeitig muss man sich aber bewusst sein, dass die Türkei sehr vielfältig ist, was die fast 48 Prozent Unterstützung von Kilicdaroglu (Anm. d. Red.: Kontrahent Erdogans in der Stichwahl), gezeigt hat, und dass einzelne Christen in der Türkei völlig unterschiedliche Erfahrungen machen, je nach Familie und sozialer Umgebung.» Er vermute, dass sich die aktuelle Situation weder grossartig verschlechtere noch verbessere.

Nur noch 0,2 Prozent Christen

Aktuell lebten laut der World Christian Database 170'000 Christen in der Türkei, was 0,2 Prozent entspricht. Die meisten von ihnen seien Armenisch-Apostolisch oder Syrisch-Orthodox. Die evangelischen Gemeinden hätten nach wie vor mit legalen Herausforderungen zu kämpfen, da sie nicht als «religiöse Versammlungen» anerkannt werden. «Dies schafft viele praktische Schwierigkeiten mit den Behörden, wenn man einen Versammlungsort mieten will oder Bankkonnten eröffnen möchte, was unmöglich ist», so der Open-Doors-Spezialist im Interview.

«Obwohl die Anzahl an Christen (…) vermutlich durch Migration weiter abnimmt, wird von gewissen lokalem Wachstum berichtet. Die protestantische Gemeinschaft hat in der jüngsten Vergangenheit kontinuierliches Wachstum erlebt.»

Diskriminierung und Missbrauch

Doch ihre Situation sei nach wie vor schwierig. Zwar wurden in den vergangenen zwölf Monaten keine Christen getötet, doch es wurden Kirchgebäude beschädigt, geschändet oder in Moscheen umgewandelt. Gerade auch asylsuchende Christen, darunter islamische Konvertiten aus dem Iran, Afghanistan und Syrien, würden diskriminiert und missbraucht. «Bitte beten Sie, dass der Herr Gutes aus Erdogans Wiederwahl entstehen lässt und dass die Kirche gestärkt wird, um weiterhin das Evangelium weiterzugeben und ein Licht im Land zu sein.»

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Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Open Doors UK

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