Wenn sich Bankdirektor und Theologieprofessor zusammentun
Oliver Banz und Stefan Schweyer verbindet seit der Schulzeit eine langjährige Freundschaft. Beide waren Gymnasiasten in der vom Kloster geführten Stiftsschule Einsiedeln – eine halbprivate Schule mit einer eidgenössischen Maturität. Das Gymnasium zeichnete sich durch ein christlich-humanistisches Bildungsprofil aus – so zum Beispiel neben den naturwissenschaftlichen Fächern auch einen Fokus auf Philosophie, Geschichte und Religion. Latein war für alle obligatorisch. Ein Teil des Lehrkörpers waren Patres – das sind Mönche im Kloster Einsiedeln, die Theologie studiert und die Priesterweihe empfangen haben. Manche dieser Patres hatten ein Doppelstudium wie Theologie und Biologie oder Theologie und Physik absolviert.
«Für mich als Freikirchler war das Gymnasium bedeutsam, um die breiten Verbindungen von Kirche, Bildung, Kunst und Kultur kennenzulernen», erklärt Stefan Schweyer rückblickend. Oliver Banz und Stefan Schweyer waren im gleichen Jahrgang, haben die meisten Lehrveranstaltungen gemeinsam besucht und oft zusammen diskutiert und gelernt. Dann gingen sie aber unterschiedliche Lebenswege und wirkten in unterschiedlichen Lebenswelten: Oliver Banz hat Jura studiert und doktoriert. Nach Tätigkeiten bei Swiss Re und einer grossen Anwaltskanzlei war er vier Jahre bei McKinsey tätig. Dann führte er während 15 Jahren in verschiedenen Banken grössere Front- und Stabseinheiten. Stefan Schweyer entwickelt sich vom Pfarrer zum Theologieprofessor für Praktische Theologie an der Universitären theologischen Hochschule STH Basel. Er hat Doktoratsstudien in Belgien und theologische Weiterbildungen in den USA besucht. Sein Habilitationsprojekt über freikirchliche Gottesdienste machte er am Liturgiewissenschaftlichen Institut der Universität Fribourg.
Schnittstelle von der Bibel zur Welt
Die Freundschaft hat sich nach der Gymnasiumszeit fortgesetzt. So wurde Oliver Götti von Stefans Sohn und umgekehrt. Als Familien feierten sie einige Jahre lang gemeinsam Weihnachten. Nach der Finanzkrise 2007/8 haben sie oft bei gemeinsamen Wanderungen über wirtschaftsethische Fragen diskutiert. Als sie 2020 gemeinsam einige Tage in den Ferien waren, entstand eine Idee: «Wir haben einander an unseren Hobbies und Interessen teilhaben lassen – vom sportlichen Workout über das gemeinsame Kochen bis zum Abendgebet. In dieser Ferienzeit ist die Idee entstanden, den Inhalt unserer zahlreichen Gespräche in einem Buch zu kondensieren.»
Beide haben beim intensiven Austausch gemerkt, dass es bei allen Unterschieden ein gemeinsames Schnittfeld von christlichen Überzeugungen und liberaler Wirtschaftsordnung gibt. So haben sie sich entschieden, diese Gemeinsamkeit zum Ausgangspunkt einer Publikation zu machen. Dieses Schnittfeld haben sie im Buch «Die richtige Entscheidung finden» mit acht Maximen umrissen. Stefan Schweyer: «Wir sind überzeugt, dass die Orientierung an diesen Maximen in der Praxis dazu beiträgt, die richtige Entscheidung zu finden.» Im Maximen-Set integrieren sie ihre Erfahrung und die christlich-abendländische Tradition zu einer ganzheitlichen Sichtweise. Anhand von Fallbeispielen – wie dem Einstellen und Entlassen von Mitarbeitenden oder dem Untergang der Credit Suisse – werden die Maximen getestet und diskutiert. Sie bieten eine Ausgangslage, um die eigene Entscheidungsfindung zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.
Das Geld der Reichen
Oliver Banz war bei einer Schweizer Grossbank auch globaler COO des Bereichs für die sehr vermögenden Kunden (UHNW). Damals stellte er sich die Frage: «Kann man anständig so reich werden?» Kein Wunder, dass es im Juni 2024 in der FEG Riehen mit Stefan Schweyer zu einer Dialogpredigt über Reichtum kam. Dabei ging es um einen Reichtums-kritischen Bibeltext «Ihr Reichen, weint und klagt…» (Jakobus Kapitel 5, Vers 1). Stefan Schweyer wurde angefragt, über diesen Bibeltext zu predigen: «Weil wir in unserem Buch das Thema auch diskutiert und behandelt haben, habe ich Oliver gefragt, ob er bereit wäre, dass wir zu zweit in einem Dialog uns diesem Bibeltext stellen. Es war für uns beide sicher eine neue und bereichernde Erfahrung, gemeinsam über einen Bibeltext auszutauschen.» Oliver Banz ergänzt: «Als Anwalt, Berater und Banker habe ich viele Situationen erlebt, in denen weitreichende Entscheidungen gefällt werden mussten. Oft wurden diese zu einseitig oder kurzsichtig angegangen. Im Buch haben wir einige dieser Beispiele verarbeitet. Es ist wichtig, solche Entscheidungen entlang eines stabilen Rasters anzugehen, dass viele Facetten einbringt. Das haben wir mit den acht Maximen versucht und dann an den Beispielen ausprobiert.»
Dieser Text erschien bei Dienstagmail.
Zum Buch:
«Die richtige Entscheidung finden»
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