Grafische Einsichten in die Bibel

Eine grafische Visualisierung der Parallelen in der Bibel.
Eine Liste aller Parallelen in der Bibel hört sich lang und eher trocken an. Dass sie aufregend schön und bunt sein kann, beweist Chris Harrison durch seine grafische Darstellung.

Manchmal erwischt einen die Bibel auf dem linken Fuss. Gut so. Denn dieses Buch, in dem Gott auf besondere Weise zu den Menschen spricht, tut das nicht nur durch die Buchstaben darin. «Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist; wohl dem, der auf ihn traut!», heisst es in den Psalmen. Manche Wahrheiten der Bibel sind tatsächlich solch eine «Geschmacksfrage» – wie das Abendmahl zum Beispiel. Andere führen im wahrsten Sinne zu tieferen Einsichten – wie die oben dargestellte Grafik zur Bibel.

Wenn ein IT’ler die Bibel malt

Chris Harrison ist ausserordentlicher Professor an der Carnegie-Mellon-Universität im amerikanischen Pittsburg. Der Christ beschäftigt sich beruflich mit möglichen Interaktionen zwischen Mensch und Computer. Momentan wird die Diskussion dazu völlig von KI und den Folgen dominiert, doch es gibt noch viel mehr Interessantes dabei zu entdecken. Bereits 2007 entwickelte Harrison zusammen mit dem deutschen Theologen Christoph Römhild eine Darstellung, die die Parallelen zeigt, die in der Bibel bestehen.

Viele Bibelausgaben verweisen in Randbemerkungen oder Fussnoten auf bis zu 63'779 inhaltliche Querverweise innerhalb der Bibel. Das sind einige Zitate, aber in erster Linie sind es Parallelen durch gleiche Orte, Personen und ähnliche Aussagen. Die beiden suchten nach einer Darstellungsmöglichkeit, die die Komplexität dieser Zusammenhänge unterstrich und gleichzeitig schön war. So schrieb Harrison ein Programm, das jedes einzelne Kapitel der Bibel als Balkendiagramm darstellte – je länger der Balken, desto länger das Kapitel. Psalm 119 als längstes Kapitel der Bibel sticht deutlich aus der Grundlinie heraus. Die ersten Bücher des Alten und des Neuen Testaments sind weiss hervorgehoben, die restlichen Bücher wechselnd hell- und dunkelgrau abgebildet. Die Parallelen werden dabei durch Bögen dargestellt, die die entsprechenden Kapitel miteinander verbinden. Je nach räumlichem Abstand änderte das Programm die Farbe dieser Linien. Das Ergebnis ist ein filigranes Regenbogenmuster, das die inhaltlichen Beziehungen der Bibel illustriert.

Schönheit trifft Theologie

Natürlich gibt es bereits Computerprogramme, mit denen Theologen inhaltliche Parallelen und bestimmte Wortfamilien der Bibel auflisten können. Harrison ging es jedoch mehr um die Ästhetik. Er wollte es auf einen Blick verständlich machen, wie eng Altes und Neues Testament zusammenhängen, wie stark die ganze Bibel von inhaltlichen Querverbindungen bestimmt ist. Das Ergebnis ist ein besonderes Bild (über die Website des Professors ist es gegen Gebühr auch in hervorragender Auflösung herunterzuladen).

Es ist eine Sache, von inhaltlichen Parallelen zu sprechen oder wie schon Martin Luther davon auszugehen, dass die Bibel sich letztlich durch sich selbst erklärt – «scriptura sui ipsius interpres» nannte der Reformator das. Es wird aber auf eine besondere Art einsichtig und fassbar, wenn man die tausendfachen filigranen Regenbogenverbindungen darin sieht. Die Bibel ist manchmal schwer verständlich, aber sie ist auch ein buntes Gesamtkunstwerk.

Harrisons Darstellung ist kein Beweis für eine Einheitlichkeit der Bibel, sie klärt weder Autorenfragen noch theologische Probleme. Stattdessen ist sie im besten Sinne schön und feiert die Bibel als zusammenhängendes Buch, das eng vernetzt ist. Der kanadische Psychologe Jordan Peterson nennt die Bibel mit Blick auf dieses Bild «das erste voll verlinkte Buch». Beim Betrachten bezieht man die Verbindungen unwillkürlich auch auf sich selbst, denn die Bibel schlägt auch Brücken zu ihren Leserinnen und Lesern. Da ist es kein Zufall, dass die Bögen der Grafik wie ein detailreicher Regenbogen aussehen – das biblische Urbild der Hoffnung.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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