Gemeindepräsident als Dorfpfarrer

Balthasar Bächtold (links) und Pentti Aellig tauschen die Plätze.
Die Kleinstadt Dörflingen im Kanton Schaffhausen verfügt über eine Kirchgemeinde mit 500 Mitgliedern. Nun haben zwei ihre Jobs getauscht, weil sie Lust auf Neues hatten. Der Pfarrer wurde zum Chefredaktor und der Gemeindepräsident zum Prediger.

Pfarrer Balthasar Bächtold ist in Schaffhausen im Klettgauer Dorf Neuenkirch aufgewachsen. 2022 kehrt er mit dem Pfarramt in Dörflingen in seinen Heimatkanton zurück. Zuvor hatte ihn das Theologiestudium nach Basel und Bern sowie nach Beirut im Libanon geführt. Er freut sich darüber, nun da wirken zu können, wo seine Wurzeln und sein privates Umfeld sind.

Balthasar Bächtold widmet sich intensiv dem Studium der Bibel: «Mich fasziniert die Arbeit mit der Heiligen Schrift. Ihre Werte in der Predigt weiterzugeben, ist eine wichtige Aufgabe.» Er entschloss sich für die Stelle in Dörflingen, weil sie ein 50-Prozent-Pensum bietet. Der Theologe studiert daneben Jura und möchte später als Kirchenjurist arbeiten: «Juristische und theologische Fragen überschneiden sich oft, zum Beispiel bei der Frage, ob sich die Kirche politisch äussern darf. Mich interessiert das Spannungsfeld zwischen den beiden Bereichen.»

Perspektivenwechsel von Gemeindepräsident und Pfarrer

Er ist der 17. Gemeindepräsident von Dörflingen und steht der Gemeinde seit 13 Jahren vor: Pentti Aellig ist Mitglied der SVP Dörflingen und Kantonsrat für die SVP Schaffhausen. Mit einem Augenzwinkern und der festen Überzeugung, dass ein Perspektivenwechsel nie schaden kann, haben sich Pfarrer Balthasar Bächtold und Gemeindepräsident Pentti Aellig auf ein gewagtes Experiment eingelassen: Sie tauschten ihre Jobs. Pfarrer Bächtold lernte, die Geschicke der «Dörflinger-Info» lenken und fungierte als Chefredakteur. Gemeindepräsident Pentti Aellig trat am Sonntagmorgen als Prediger auf.

Dieser Rollentausch hatte im Vorfeld bei dem einen oder anderen Bürger für etwas Skepsis gesorgt, von der aber am Sonntagmorgen nichts zu spüren war, berichten die «Schaffhauser Nachrichten». Die Kirche war gut besucht. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Gemeinde und Kirche zusammenarbeiten, sagte Pentti Aellig. Er dankte Pfarrer Bächtold für seinen Mut zum Experiment und lobte die neuste Ausgabe der «Dörflinger-Info». Der Pfarrer habe eine ungewöhnliche, besondere Ausgabe gestaltet. 

Predigt mit Witz und Humor

Pentti Aellig skizzierte mit Witz und Humor die Mentalität der Dörflinger. Einige Dörflinger seien nett zueinander, einige seien nicht immer nett zueinander, berichten die «Schaffhauser Nachrichten» weiter: «Wenn es drauf ankommt, halten wir Dörflinger eng zusammen.» Wie einige andere Dörflinger sei er auch eher ein seltener Kirchgänger, gab der Gemeindepräsident zu: «Aber für mich gehören christliche Werte wie Hilfsbereitschaft zu unserer Kultur. Gott ist für mich universal.» Seine Predigt drehte sich um das Christentum und den Römerbrief des Apostels Paulus. «Mir hat der Römerbrief immer gefallen, also habe ich ganz naiv gesagt, ich predige über den Römerbrief.» Nach spannenden Einführungen und Erkenntnissen darüber, aus theologischer sowie kirchenpolitischer Sicht, endete der Gottesdienst mit einem gemeinsamen Gebet. 

Pfarrer Balthasar Bächtold war mit dem Auftritt des Gemeindepräsidenten zufrieden. «Es war eine tolle Sache, ein interessanter Gottesdienst, also Daumen hoch», sagte er. Dem pflichtete Margrit Erb bei: «Den Gemeindepräsidenten in der Kirche predigen zu hören, war etwas ganz Besonderes. Das gab es noch nirgends im Kanton Schaffhausen.» Das sei ein Modell für die Zukunft, so zweimal im Jahr. «Ich hoffe auf eine Wiederholung», sagte die Dörflingerin. Der Dorfarzt Jürgen Wagner ergänzte: «Ich habe einiges mitnehmen können. Beispielsweise die Integration von verschiedenen Kulturen, gut erklärt durch den Römerbrief. Und dass wir uns gegenseitig helfen. Das waren zwei ganz wichtige Gedanken.» Auch Kirchenpräsident Christoph Roost lobte den Gottesdienst: «Sehr gut! Der Gottesdienst war individuell gestaltet und dadurch sehr erfrischend. Ich fand das Experiment spannend, mit dieser Kombination und dem Rollenwechsel.» 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Dienstagsmail.

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Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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