Makoto Fujimura – Künstler der Langsamkeit
Kunst und Glaube gehören untrennbar zusammen. Schon die erste Aussage der Bibel bezieht sich auf beides, wenn sie unterstreicht: «Im Anfang schuf Gott…» Der US-Künstler Makoto Fujimura würde nie auf die Idee kommen, sein Schaffen auf eine Stufe mit Gottes Schöpfung zu stellen, doch auch in seinem Leben sind Kunst und Glaube die beiden mächtigsten Kräfte.
Weltweite Aufmerksamkeit erhielt er mit seinem Konzept der «Slow Art», der langsamen Kunst, die David Brooks in der New York Times als «kleine Rebellion gegen die Beschleunigung der Zeit» beschreibt. Doch Fujimura ist kein Verweigerer, er ist ein Gestalter und wünscht sich, «eine neue Art von Kunst zu schaffen, in der es um Hoffnung, Heilung, Erlösung und Zuflucht geht». Seine Website enthält nicht nur die beeindruckende Liste seiner akademischen und künstlerischen Karriere, sondern auch etliche seiner Bilder.
Kunst, Karriere und Krisen
Makoto Fujimura wurde in Boston/USA geboren. Weil sein Vater aus beruflichen Gründen wieder nach Japan ging, wuchs er dort auf. Als er 13-jährig erneut in die USA kam, musste er mühsam wieder Englisch lernen – diese Prägung durch zwei Kulturen beeinflusst ihn bis heute. Er studierte an der Bucknell University, wo er den inzwischen verstorbenen Theologen Timothy Keller kennenlernte. Bald war ihm klar, dass er trotz seines naturwissenschaftlichen Studiums Künstler werden wollte und er bewarb sich für einen Studienplatz in Tokio. Als erster und bislang einziger ausländischer Student erhielt er ein Stipendium, um bei anerkannten Meistern die traditionelle japanische Malerei Nihonga zu lernen.
In der Auseinandersetzung mit den Konzepten von Stille und Schönheit fand Fujimura zum christlichen Glauben. Dabei spielte es von Anfang an eine wichtige Rolle für ihn, dass Brüche dazugehören und sogar eine besondere Schönheit beitragen. Was in der Kunst als Kintsugi bekannt und beliebt ist, kann allerdings im eigenen Leben mühsam sein. Verheiratet kam er in die USA zurück, doch seine Ehe zerbrach an den Folgen von 9/11, seine Eltern starben kurz darauf und er fiel in Depressionen. Drei Jahre lang kämpfte er, bis Glaube und Kunst zu einer Stimme der Heilung mitten in seinem Zerbruch wurden.
Theologie des Schaffens
Mit Tim Keller engagierte sich Fujimura in dessen stadtmissionarischer Arbeit. «Sucht den Frieden der Stadt!», war das Motto ihres Einsatzes. Der Gedanke des Propheten Jeremia ging weit über ein blosses Verkündigen des Evangeliums in der Kirche hinaus. So suchte Fujimura den Kontakt zu Intellektuellen und Künstlern. Er nahm sie mit hinein in seine gebrochene Wirklichkeit und zeigte ihnen – und sich selbst –, dass Gott immer wieder etwas Schönes daraus machte. Dabei wurde der eigentliche Gestaltungsprozess für ihn immer wichtiger. Oft setzen sich seine Werke aus über 100 Schichten zusammen, die er über einen langen Zeitraum hinweg gestaltet – es war der Beginn der «Slow Art».
Die Werke Fujimuras sind nie plakativ, sie haben eine Tiefe, die sich erst auf den zweiten Blick erschliesst. Dazu gehört dieser langsame Gestaltungsprozess, der mit dem Verwenden von Pigmenten beginnt und schliesslich in ein vielschichtiges Bild mündet, das nicht spontan begeistert, aber vom Geist des Künstlers erfüllt ist. Das reicht so weit, dass einzelne, wie der Japaner Hiroshi Motoko, erleben, dass die Kombination aus Fujimuras Bildern und dem Wort Gottes heilende Kräfte entfaltet. «Ich litt an ernsten Depressionen und ich wurde durch die Arbeit von Makoto Fujimura geheilt», erklärt er in einem Filmbeitrag über dessen Kunst. Der Künstler selbst macht deutlich, dass dies an Jesus und seinem Leiden liege. Diese Brüche übernimmt er in seine Kunstwerke und nennt sie «Gehen auf dem Wasser», «Stille», «Goldenes Meer» oder auch «Vier heilige Evangelien».
Ein Auftrag für Künstler
Fujimura erlebte Gottes Heilung, indem er seine Brüche in seine Kunst und sein Leben integrierte. Davon handeln seine Bilder und seine leider bis jetzt nur auf Englisch erhältlichen Bücher. Diese Gedanken gibt er an Menschen auf der Suche weiter. Er will ihnen nicht erklären: «Es gibt ein Programm, um dich zu reparieren.» Stattdessen vermittelt er ihnen ein neues Bild von Kirche: «Danke, dass du deine Bruchstücke hergebracht hast. Wir brauchen sie. Wir sind hier alle zerbrochen. Aber irgendwie passt dein Fragment passt hierher, wo Gott sein Kintsugi mit uns herstellt. Du bist wichtig, weil deine Form, deine scharfen Ecken und Kanten genau das sind, was Gott braucht, um etwas Neues und Grosses zu schaffen.» Aber auch eine Botschaft an Christen hat er und besonders an solche, die Künstler sind: «Nimm deinen Glauben ernst. Mache deine Kunst, als ob dein Leben und dein Glauben davon abhinge. Schaffe in Liebe.»
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