In Würde sterben

Vorbereitungen auf den Tod sind wichtig.
Was vorzukehren ist, um in Würde zu gehen und für die Nachkommen Klarheit zu schaffen, zeigten drei Fachleute auf. Auf Einladung der reformierten Kirche Gossau ZH referierten dazu ein Anwalt für Erbrecht, ein Palliativmediziner und eine Pfarrerin.

«Ich habe kein Testament gemacht», hält Marcel Zirngast fest. Der Anwalt ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Für seine Situation sei die gesetzliche Regelung passend, deshalb bestehe kein testamentarischer Gestaltungsbedarf. Wer jedoch in einer Partnerschaft lebe oder keine Nachkommen habe, tue gut daran, schriftlich festzuhalten, wie sein Vermögen nach seinem Tod verteilt werden soll. Für verschiedene Lebenskonstellationen zeigte er die gesetzliche Erbfolge und die sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten auf.

Ein Testament sei einfach und schnell gemacht: Es müsse handschriftlich verfasst, datiert und unterschrieben sein. «Wichtig ist, dass ihre Hinterbliebenen wissen, wo Sie es aufbewahrt haben!», mahnte er. Dazu gehörten auch aktuelle Passwörter. Bei komplexeren Sachlagen sei der Beizug anwaltlicher Beratung zu empfehlen. Wenn ein erblasserischer Handlungsbedarf gegeben sei, ermutigte Zirngast nicht zuzuwarten, sondern ein Papier zur Hand zu nehmen und seinen Willen niederzuschreiben. «Testamente können auch jederzeit geändert oder neu formuliert werden», ermutigte der Anwalt. Ziel müsse sein, klare Verhältnisse für die Zeit nach einem Todesfall zu schaffen.

In einen warmen Mantel gehüllt

Als Notfallmediziner hörte Andreas Weber immer wieder, dass Langzeitpatienten oder Todkranke ihre letzte Zeit gern zuhause verbringen würden. «Das ist nur möglich, wenn man sich darauf vorbereitet hat.» Meist sei dies nicht der Fall – 40 Prozent aller Patienten sterben daher im Spital. Dies motivierte ihn, sich um eine intensive häusliche Pflege zu kümmern. Er gründete eine Stiftung für Palliativ Care (palliativ = ummanteln), um professionell vorzugehen. «Schauen Sie sich ihre Patientenverfügung genau an, sie ist oft missverständlich», mahnte er. «Keine Massnahmen ergreifen» könne heissen, auf Antibiotika zu verzichten, wenn man wegen einer Lungenentzündung nicht mehr ansprechbar sei. «Wollen Sie das? Oder meinen Sie damit, dass sie keine Intensivpflege wünschen, falls die Medikamente nicht das erwünschte Resultat erzielen?» Er erlebt, dass Schwerkranke bereit sind, zu sterben. Sie wollten aber am Leben bleiben, weil Angehörige unter einem schnellen Tod leiden würden. Dann könne eine schmerzlindernde Pflege Zeit verschaffen, um sich zu verabschieden und das Ende zu akzeptieren.

Patientenverfügung aktualisieren

Die Referenten: Marcel Zirngast, Pfarrerin Adelheid Huber und Doktor Andreas Weber (vlnr.)

Seit diesem Jahr gibt es ein neues Formular der Ärztevereinigung (FMH), mit welchem detailliert beschrieben werden kann, welche Hilfeleistungen man wünscht und was explizit nicht. Die Andreas-Weber-Stiftung und auch andere bieten dazu persönliche Beratung an. «Für ihre Finanzen lassen Sie sich doch auch beraten – warum also nicht für ihr Leben?», forderte der Mediziner heraus. Sein Team bilde ein Netzwerk mit Angehörigen, Freunden, Nachbarn, Spitex und weiteren Dienstleistern, wenn jemand zuhause gepflegt werden möchte. Dazu könnten auch Hilfsmittel wie zum Beispiel eine Schmerzpumpe zur Verfügung gestellt werden, mit welchem sich der Patient selbst Morphium zuführen könne. «Bitten Sie um Hilfe – es gibt viele Menschen, die gern helfen!», motivierte er. Er höre immer wieder, dass die Helfenden viel zurückbekämen durch ihren Dienst.

Kirchliche Bestattung

Pfarrerin Adelheid Huber bereitet mit Trauerfamilien jeweils die Abschiedsfeier vor. Dabei erlebt sie, wie hilfreich es für die Hinterbliebenen ist, wenn zuvor darüber gesprochen wurde und so ein Lebenslauf, Wünsche bezüglich Abdankungsfeier und Art der Bestattung vom Verstorbenen schriftlich vorliegen. Wenn er dabei erwähnt, dass er Änderungen akzeptiert, die für seine Familie Sinn machen, bedeute das für diese einen Freiraum. Auch wenn ein Verstorbener keinen öffentlichen Abschied gewünscht hätte – für die Trauernden, Familie, Freunde, Nachbarn, ehemalige Arbeitskollegen begünstigte sie einen hilfreichen Verlauf des Trauerprozess. Die positive Wirkung solcher Rituale werde gern unterschätzt. Aus theologischer Sicht habe die Art der Bestattung keine Auswirkung auf das ewige Heil, auch wenn zur jüdisch-christliche Tradition die Erdbestattung gehört. Sie sei überzeugt, dass es Gott nicht schwerer falle, einen Menschen aus Knochen oder deren Asche ins ewige Leben auferstehen zu lassen.

Ein Ort der Erinnerung

Selbst ein Gemeinschaftsgrab könne für die Hinterbliebenen einen willkommenen Ort der Erinnerung darstellen – auch hier helfe es, miteinander über Vorstellungen und Befürchtungen am Ende des Lebens auszutauschen. Wenn sich zum Beispiel Angehörige Gedanken machen, sich bei Exit anzumelden, sei dies oft einfach ein Hilferuf und die Befürchtung, man falle nur noch zur Last und sei nichts mehr wert. Die Zusage, dass die Person ihre Würde behält, auch wenn sie hilfsbedürftig wird, dass man sich gerne um sie kümmere, könne dann grosse Entlastung für den sterbenden Menschen bedeuten. Denn mit einem geplanten Suizid umzugehen sei für viele eine zu grosse Herausforderung.

Wir werden erwartet

«Der christliche Glaube hat einen einzigartigen Bezug zu Tod und Ewigkeit. Der Tod erinnert an den Tod Jesu und seine Auferstehung», führte Adelheid Huber aus. Die Bibel beschreibe genug über das Leben nach dem Tod, dass wir uns darauf freuen könnten. «Das Leben wird anders sein, aber gut, weil wir bei Gott sind.» Sie erzählte eine Geschichte, in der ein Arzt vom Sterbenden gefragt wurde: «Herr Doktor, wie wird es da drüben sein?» Dieser öffnete nun die Tür, hinter der sein Hund auf ihn gewartet hatte. Sofort sprang dieser herein und schmiegte sich an seinen Herrn. «Bevor wir durch die Tür gehen, wissen wir nicht genau, was dort auf uns zukommt. Aber ich weiss, dass mein Herr mich erwartet – und das genügt mir.» In diesem Sinn könnten Jesus-Nachfolger getrost auf das Sterben und das ewige Leben zugehen, ermutigte die Pfarrerin.

Zum Thema:
Im tiefen Loch: «Durch mein leichtsinniges Verhalten hätte ich sterben können»
Sohn starb mit 18 beim Surfen: «Mein eigenes Sterben hat an Schärfe verloren»
Das Grab konnte ihn nicht halten: Die latente Angst vor dem Tod

Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung