Langjähriger Livenet-Mitarbeiter gestorben
Ältere Leserinnen und Leser werden sich an die regelmässigen Korrespondentenberichte von Heinz Gstrein auf Radios DRS1 über den Nahen Osten in den 1960er und 70er Jahren erinnern. Heinz Gstrein verschrieb sich nach seinem Orientalistik- und anschliessendem orthodoxen Theologiestudium dem Journalismus und fiel dort durch seine umfassende Kompetenz über die christlichen Ostkirchen, das Judentum und den Islam auf.
Er konnte sich auch in den meisten Sprachen dieser Region verständigen und verfasste während dieser Zeit eine Reihe von Biografien und Sachbüchern. Er besass ein phänomenales Gedächtnis für Fakten und Zahlen, das ihm in seiner Arbeit für das Radio und verschiedene Agenturen und Zeitungen wie die NZZ zugute kam. Für die NZZ war er zum Beispiel Korrespondent aus Athen von 1996 bis 2001 sowie für die Olympischen Spiele 2004. Zugleich hielt er Vorträge in landes- und freikirchlichen Gemeinden in der Schweiz, insbesondere über Nahost und Israel.
Persönlich erlebte man Heinz Gstrein, der auch durch verschiedene Schicksalsschläge geprüft wurde, als bescheidenen, immer höflichen und zuvorkommenden Menschen. Nach zwei unglücklichen Ehen traf er 1995 bei den 1900-Jahr-Feiern der Offenbarung des Johannes auf Patmos auf seine Jugendfreundin, die Griechin und Agence France Press-Journalistin Rhea Sourmeli, die er heiratete und die letzten 28 Jahre mit ihr glücklich verbrachte.
Hohe Kompetenz
Seit 1985 war er als Korrespondent auch für das damalige idea-Magazin und den idea-Pressedienst sowie später für Livenet tätig. Dabei bemühte er sich, neben dem Einsatz für verfolgte Christen im islamischen Raum besonders auch auf die Lage der evangelischen Minderheiten in den orthodoxen und islamischen Ländern sowie in Indien hinzuweisen. Gleichzeitig arbeitete er an einer Promotion zum Doktor in Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Bern, nachdem schon seine erste Doktorarbeit 1969 ein theologisches Thema hatte: «Uneditierte Texte zur byzantinischen Osterpredigt».
Dank seiner vielfältigen Kompetenzen war er ausserdem Lehrbeauftragter für Osmanische Geschichte, Kultur, Religion sowie islamisches Recht an der Universität Wien und Präsident der Arbeitsgemeinschaft Orthodoxer Kirchen in der Schweiz (AGOK). Mehrere Jahre war er auch stellvertretender Direktor des Instituts G2W (Glaube in der 2. Welt) in Zürich.
Warner vor Islamismus
Politisch exponierte sich Heinz Gstrein, der schon länger islamistische Aktivitäten in Europa besorgt verfolgte, indem er die Befürworter eines Minarettverbots in der Schweiz unterstützte und später ein Gutachten zugunsten eines Verbots des Islamischen Zentralrats in der Schweiz verfasste. Gegner dieser Initiative und Tageszeitungen wie die Basler Zeitung versuchten ihn danach fachlich zu disqualifizieren. Gstrein konnte sich aber rehabilitieren und auch seine Lehrtätigkeit als Lehrbeauftragter für Balkanstudien an der Universität Wien weiterführen.
Seinen letzten Beitrag für Livenet schrieb er am 26. Juli 2022. Es ging um eine Konferenz messianischer Juden in Wien.
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