So sind die Cornflakes entstanden

Corn Flakes in einer Schüssel
Cornflakes waren einst der Gipfel der Gesundheit und der geistigen Reinheit. Nur wenige kennen die Hintergründe der Geschichte: Cornflakes wurde von gläubigen Christen in einem Krankenhaus erfunden.

Der beliebte Sänger und Filmstar Bing Crosby sang einst: «Was ist amerikanischer als Cornflakes?» Aber nur wenige kennen die beiden Männer aus Battle Creek (Michigan, USA), die 1895 diese berühmt-knusprigen, goldenen Maisflocken erfanden und so das amerikanische Frühstück revolutionierten: John Harvey Kellogg und sein jüngerer Bruder Will Keith Kellogg. Noch weniger wissen, dass sich unter den Zutaten des Geheimrezepts der Kelloggs auch die Lehren der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten befanden. Der Glaube verbindet geistige und körperliche Gesundheit miteinander und spielte im Leben der Familie Kellogg eine grosse Rolle.

Gesunde Lebensweise

Ein halbes Jahrhundert lang war Battle Creek der Hauptsitz der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Ihre Mitgründer, die Prophetin Ellen White und ihr Mann James, liessen sich ab 1854 dort nieder. Der Siebenten-Tags-Adventismus wuchs zu einer bedeutenden christlichen Glaubensgemeinschaft mit Kirchen, Diensten und Mitgliedern auf der ganzen Welt. Ein wichtiger Bestandteil der Kirche der Whites war eine gesunde Lebensweise und eine nahrhafte, auf Gemüse und Getreide basierende Ernährung. Viele von Ellen Whites religiösen Erfahrungen waren mit der persönlichen Gesundheit verbunden. In den 1860er Jahren entwickelte sie, inspiriert durch Visionen und Botschaften, eine Lehre über Hygiene, Ernährung und Keuschheit, die sich an den Lehren von Jesus orientierte.

Im Mai 1866 stellte Ellen White ihre Ideen offiziell den 3'500 Adventisten vor, die das Leitungsgremium der Glaubensgemeinschaft bildeten. Wenn es um die Ernährung ging, fand Whites Theologie grosse Bedeutung in 1. Mose, Kapitel 1, Vers 29: Und Gott sprach: «Siehe, ich habe euch gegeben alles Kraut, das Samen trägt, das auf dem ganzen Erdboden ist, und jeden Baum, an dem Frucht ist, die Samen trägt; euch soll's zur Speise dienen.» White interpretierte diesen Vers so, dass in Gottes Absicht der Mensch eine vegetarische Ernährung konsumieren sollte. Sie sagte den Siebenten-Tags-Adventisten, dass sie sich nicht nur des Fleischessens enthalten sollten, sondern auch des Tabakkonsums oder des Genusses von Kaffee, Tee und natürlich von Alkohol. 

Universität der Gesundheit 

Die Familie Kellogg zog 1856 nach Battle Creek, hauptsächlich um in der Nähe von Ellen White und der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten zu sein. Beeindruckt von dem Intellekt, dem Geist und der Tatkraft des jungen John Harvey Kellogg, bereiteten Ellen und James White ihn auf eine Schlüsselrolle in der Kirche vor. Als er 16 Jahre alt war, redigierte und gestaltete Kellogg das monatliche Gesundheitsberatungmagazin der Kirche «The Health Reformer». Später wurde er Arzt, der die medizinischen und gesundheitlichen Programme für die Konfession leitete. Es war während des Medizinstudiums, als er zum ersten Mal darüber nachdachte, ein nahrhaftes, verzehrfertiges Müsli zu kreieren.

Nach seiner Rückkehr nach Battle Creek 1876 wurde mit der Ermutigung und Führung der Whites das Battle Creek Sanitarium ins Leben gerufen, das sich innerhalb weniger Jahre zu einem weltberühmten medizinischen Zentrum, Grandhotel und Spa entwickelte. Behandelt wurden Patienten aus den wachsenden US-Städten, die unter Stress und Hektik litten. Geleitet wurde das Sanitarium vom anfänglich 24-jährigen John und ab 1880 auch vom acht Jahre jüngeren Will, der sich um die geschäftlichen und personellen Belange kümmerte. Das «San» der Brüder Kellogg war international als «Universität der Gesundheit» bekannt, die das adventistische Evangelium von Krankheitsvorbeugung, gesunder Verdauung und Wellness predigte. Auf ihrem Höhepunkt kamen mehr als 12'000 bis 15'000 Patienten pro Jahr – darunter auch Prominente wie Henry Ford.

Die Frühstückshelden

1858 beschrieb Walt Whitman Verdauungsstörungen als «das grosse amerikanische Übel». Eine der häufigsten medizinischen Beschwerden dieser Zeit war die Dyspepsie, ein Sammelbegriff für Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Sodbrennen und Magenverstimmung. Das Frühstück war besonders problematisch. Kein Wunder, dass Dr. Kellogg einen Bedarf für ein schmackhaftes, getreidebasiertes Gesundheitsnahrungsmittel sah, das verdauungsfreundlich und zudem einfach zuzubereiten war. Er stellte die Hypothese auf, dass der Verdauungsprozess gefördert würde, wenn die Körner vorgekocht – im Wesentlichen vorverdaut – würden, bevor sie in den Mund des Patienten gelangten. Er und Will arbeiteten jahrelang, bevor sie zuerst Weizenflocken und dann die schmackhafteren Maisflocken entwickelten. 1906 verliess Will die San und gründete das, was schliesslich die Kellogg's Cereal Company wurde.

Heute argumentieren die meisten Ernährungswissenschaftler, Fettleibigkeitsexperten und Ärzte, dass die leichte Verdaulichkeit, an der die Kelloggs so hart gearbeitet haben, keine so gute Sache ist. Es hat sich herausgestellt, dass der Verzehr von verarbeiteten Cerealien zu einem plötzlichen Anstieg des Blutzuckerspiegels führt, gefolgt von einem Anstieg des Insulins. Die Kelloggs hatten die Wissenschaft der Cornflakes falsch verstanden, aber sie wurden trotzdem zu Frühstückshelden: Heute macht Kellogg’s pro Jahr 13 Milliarden US-Dollar Umsatz und beschäftig 32'000 Mitarbeitende. In mehr als 180 Ländern löffeln die Menschen Cornflakes zum Frühstück.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Dienstagsmail.

Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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