Improvisationstheater «àpoint» in der Kirche
«Wir verstehen uns als 'verbi divini minister'», erklären Martin Ferrazzini und Tobias Rentsch unisono. Allein diese alte Bezeichnung für protestantische Prediger und ordinierte Theologen der reformierten Landeskirche lässt einen schmunzeln. Die beiden «Diener am Wort Gottes» lachen und leben gern. Sie lieben es, textlich zu experimentieren und theologisch tief zu schürfen, erzählen (biblische) Geschichten erfrischend neu, ohne Traditionen abzusagen. Mit Menschen aller Couleur teilen sie auch ausserhalb der Kirchenmauern am liebsten bei einem Bier begeistert ihren Glauben.
Krusten abkratzen
Dass dieser mancherorts etwas verkrustet rüberkommt, schmeckt ihnen nicht. Inspiriert von Kochshows haben die Gottesmänner mit «àpoint – Auf den Punkt gebracht» ein Rezept dagegen ausgeheckt: biblische Worte und Wahrheiten gepaart mit Authentizität und Spontaneität in der Sprache der Leute von heute. Diese sind an den sogenannten Improvisationsgottesdiensten jeweils eingeladen, ihren Senf beizusteuern.
Überraschung auf beiden Seiten
Tobias Rentsch klärt auf: «Wir bereiteten beispielsweise einander einmal drei für den anderen unbekannte Texte vor. Die Einwürfe des Publikums verbinden wir dann mit unseren eigenen Gedanken. So ist dieses aktiv am Garprozess beteiligt und wir predigen nicht an den Leuten vorbei.»
Kollege Ferrazzini lacht und gibt zu: «Auch wir wollen uns überraschen lassen von dem, was geschieht. Ich erlebe das oft, wenn ich eine Predigt vorbereite. Aber hier ist es intensiver, weil alles live und spontan passiert.»
Lebendige Worte
Nicht jeder Gourmetkoch lässt sich wie die beiden Pfarrfreunde gern über die Schulter blicken; wohl alle verarbeiten mit Vorliebe Zutaten frisch vom Markt… Dieses Bild verwenden Rentsch und Ferrazzini auch für ihr Kirchenküchenkonzept. Martin Ferrazzini, der aus dem Improvisationstheater kommt, erläutert: «Die Bibel ist für uns kein Kochbuch. Wir sehen die Bibeltexte als frische Zutaten, die feilgeboten werden. Die Frage ist, was wir daraus kreieren. Antworten lassen sich nicht so leicht herausdestillieren. Das Wort ist und bleibt lebendig!»
Neues Land
Mit ihrer innovativen Idee, so sagen Ferrazzini und Rentsch, würden sie Grenzen sprengen, ausgetrampelte Pfade verlassen und sich weit aus der Komfortzone herausbewegen. Das entspricht ganz ihrem Anliegen, die Grenzen der Menschen zu erweitern und sie auf ihrer spirituellen Entdeckungsreise zu unterstützen.
Auf die Situation der Kirche angesprochen, erklären beide Theologen: «Mutiges Experimentieren ist angesagt. Wir können nur gewinnen, die Talsohle ist längst erreicht.»
Ganzheitlich geniessen
Gute Lokale sind manchmal ausgebucht – die Markuskirche bietet Platz für 600 Personen! Wer Hunger hat, wird am 29. Juni um 19 Uhr bestimmt nicht abgewiesen. Nach «Das Auge isst mit» und «Verbotene Früchte» im April und Mai folgt an diesem Juniabend, wiederum musikalisch untermalt, der 3. Gang. Er lockt mit dem Titel: «Der Verspielte». Versprochen wird «Leidenschaft – von ambrosial bis zartschmelzend!» Bon appétit!
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