Kirche ist mehr, als man glaubt

Das Berner Münster ist eine unter vielen Kirchen in Bern
Im Berner Kantonsparlament wird eine Motion behandelt, die Firmen ermöglicht, aus der Kirche auszutreten und damit Steuern zu sparen. Doch die Kirchen stellen sich kreativ dar und bieten 18 Argumente, wieso Firmen weiterhin Steuern bezahlen sollen.

Die Berner Landeskirchen riefen zu einer Medienkonferenz ins Hip-Hop-Center im Berner Wankdorf. Das ist ein von den Kirchen unterstützter Jugendtreffpunkt. Dort präsentierten die Landeskirchen 18 Argumente, wieso «Kirche mehr ist, als du glaubst». Die lokalen Medien kamen, wie einige Reaktionen zeigen: Die «Berner Zeitung» zitiert Christoph Schuler, Präsident des Landeskirchenrats der christkatholischen Landeskirche: «Ich finde eine Freiwilligkeit der Kirchensteuern für Unternehmen falsch. Das Beispiel Neuenburg zeigt klar, dass dies nicht funktioniert.» Die Zeitung «Der Bund» ergänzt: «Bei einem deutlichen Rückgang der Erträge müsste die Kirche deshalb beispielsweise die Angebote für Kinder und Jugendliche, Armutsbetroffene oder Betagte deutlich reduzieren». Das Bieler Tagblatt hält in einem Standpunkt fest: «Wenn den Kirchen die Gelder gekürzt werden, verlieren alle (…) Die Landeskirchen können einen eindrücklichen Leistungsausweis vorlegen.»

Hier nun die 18 Argumente der Berner Landeskirchen:

1- Die Landeskirchen leisten Service public – überall

Die Landeskirchen sind wie keine andere Institution in allen Gemeinden und vielen Dörfern des Kantons vertreten. Gerade auf dem Land sind sie nebst der Einwohnergemeinde oft der einzig verbleibende Ort mit öffentlichen Angeboten für die Bevölkerung. Sie leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Wohn- und Lebensortattraktivität. 

2- Unterstützung des sozialen und kulturellen Lebens am Ort

Viele Kirchgemeinden tragen massgeblich dazu bei, dass sich das soziale und kulturelle Leben am Ort entfalten kann. In manchen politischen Gemeinden verfügt einzig die Kirchgemeinde über geeignete Versammlungsräumlichkeiten. Die Liegenschaften der Kirche sind somit nicht nur im physischen Raum zentral gelegen, sondern meist auch im Sozialraum, indem sie gesellschaftliches Leben ermöglichen. So beherbergen manche Kirchgemeinden die politische Gemeindeversammlung oder das Gemeindeparlament. 

3- Die Kirche als Partnerin der loka­len und regionalen Wirtschaft

Kirchgemeinden sind mit dem Gewerbe in ihrer Region stark verbunden, sind sie doch Kunden von Papeterien, IT-Firmen, Bäckereien, Käsereien, Metzgereien und Restaurants. Zudem vergeben sie bei Liegenschaftsunterhalt und Sanierungen Aufträge an Maler, Schreiner, Baugeschäfte oder Installateure von Solaranlagen. 

4- 183 Millionen Franken Leistungen jährlich zugunsten der Gesellschaft

Mit drei Viertel ihres Gesamtumsatzes erbringen die Kirchen gesamtgesellschaftliche Leistungen. Davon entfällt mehr als die Hälfte auf den Sozialbereich, ein gutes Drittel auf den Bildungsbereich und der Rest auf den Kulturbereich. Von diesen kirchlichen Tätigkeiten mit gesellschaftlichem Nutzen profitieren viele Menschen – unabhängig von ihrer Konfession, Religion oder Herkunft. 

5- Die Firmensteuern werden nicht für kultische Zwecke verwendet

Die Kirchensteuern der juristischen Personen dürfen in Bern nicht für kultische Zwecke verwendet werden (negative Zweckbindung). Somit fliessen diese Gelder in die Bereiche Soziales, Kultur, Bildung und Infrastruktur. Gottesdienste oder religiöse Zeremonien werden damit nicht finanziert. 

6- Eine Entlastung des öffentlichen Sozialwesens tut Not

Viele Institutionen des Sozialwesens leiden unter Kostendruck oder Fachkräftemangel. Sie sind überlastet. Umso wichtiger ist das Engagement der Kirchen und ihrer Freiwilligen für Bedürftige. Freiwillige begleiten und unterstützen Menschen, die durch alle Maschen fallen. Oftmals ersparen sie ihnen den Gang zum Sozialdienst. Auch leisten sie einen grossen Beitrag bei der Unterstützung von geflüchteten Menschen. 

7- Die Landeskirchen unterstützen die Schwächsten der Gesellschaft

Die gemeinwohlorientierten Angebote stehen allen Menschen offen, nicht nur Kirchenmitgliedern. So kümmert sich etwa die Kirchliche Gassenarbeit in der Stadt Bern um Obdachlose und verhilft ihnen nach Möglichkeit zu einer Unterkunft. 

8- Die Landeskirchen unterstützen Menschen mit Beeinträchtigungen

Das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gehört zu den Grundwerten der Kirchen. Durch Unterstützungs- und Entlastungsangebote ermöglichen Freiwillige diesen Menschen die Teilhabe an unserer Gemeinschaft. Dazu gehören Heimbesuche, Fahrdienste, Ausflüge und Spielnachmittage, aber auch Begleitung bei der Bewältigung des Alltags. Dies stärkt das Wohlbefinden der begleiteten Personen und entlastet Angehörige oder Pflegeeinrichtungen. 

9- Die Landeskirchen betreuen ältere Menschen

Die kirchliche Arbeit mit älteren Menschen kennt klassische Angebote wie Altersnachmittage, Ferienwochen, Ausflüge oder Adventsfeiern, aber auch neue Formen der Caring Community (Sorgende Gemeinschaft). Dabei sind die bernischen Kirchen auch für Seniorinnen und Senioren da, deren Mobilität wegen Krankheiten oder körperlicher und psychischer Beeinträchtigung eingeschränkt ist. 

10- Der Kanton Bern ist geprägt von der christlichen Kultur

Das Christentum prägt unsere Kultur seit jeher. Die ethischen Werte der Gesellschaft als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens und des sorgfältigen Umgangs mit Natur und Umwelt haben viel mit dem Christentum zu tun. Die Berner Landeskirchen vertreten und stärken diese Werte. 

11- Kirchen sind auch ein Kultur­erbe

Die kirchlichen Immobilien, insbesondere die Kirchen, sind ein Kulturgut von höchstem Wert. Ihre Eigentümer sind die Kirchgemeinden, die darin Gottesdienste und Feste feiern. Gleichzeitig gehören die Kirchen als Kulturdenkmäler der gesamten Bevölkerung. Die Kirchgemeinden tragen die Verantwortung und finanzielle Last für ihre Kirchengebäude. Kirchen prägen die Stadt- und Ortsbilder und sind von grosser touristischer Bedeutung. 

12- Die Landeskirchen fördern die Musik

Kirche ohne Musik ist undenkbar. Umgekehrt ist die Kirche einer der wichtigen Orte, an denen sich Musik in den verschiedensten Spielarten entfalten kann. Heute sind Berner Landeskirchen Arbeitgeberinnen von Musikerinnen und Musikern, die Orgel oder Klavier spielen oder eine Band leiten. Zu besonderen Gelegenheiten werden weitere Instrumentalistinnen und Sänger engagiert; Chorleiterinnen haben häufig eine feste Anstellung. 

13- Die Landeskirchen sind unverzichtbar für die lokale Kultur

Die Kirchgemeinden unterstützen nicht nur die Musik. Sie bieten auch Raum für Kunstausstellungen mit meist regionalem Bezug oder Ausstellungen zu gesellschaftlichen Fragen. Sie veranstalten Musicals, offenes Singen oder Theateraufführungen. Kulturelle Angebote von Kirchen sind oftmals nicht teuer, so dass auch Menschen mit geringem Einkommen davon profitieren können. 

14- Die Landeskirchen bilden Jugendliche aus

Im kirchlichen Unterricht werden auch viele lebenspraktische Fragen erörtert, was junge Menschen auf das spätere Leben vorbereitet. Auch fördert der kirchliche Unterricht den Zusammenhalt unter den Jugendlichen durch Lageraufenthalte und andere Aktivitäten. 

15- Die Landeskirchen fördern Reflexion und Dialog

Ziel des kirchlichen Unterrichtes ist die Auseinandersetzung mit christlichen Glaubensinhalten. Dies soll zu einer kritisch reflektierten Aneignung führen, doch ist auch Platz für eine bewusste Distanznahme. Der Unterricht soll Kinder und Jugendliche befähigen, Verantwortung für das eigene und gesellschaftliche Leben zu übernehmen und ethisch zu handeln. Dazu gehört auch der respektvolle Dialog mit Angehörigen anderer Religionen. 

16- Die Landeskirchen leisten einen wichtigen Beitrag für den Frieden

Die Kirchen setzen sich aktiv für gegenseitige Verständigung und Wertschätzung aller Menschen und Ethnien ein. Für den interreligiösen Dialog spielt das Berner Haus der Religionen eine wichtige Rolle, dessen Betrieb von den Landeskirchen mitfinanziert wird. 

17- Die Landeskirchen fördern die Ver­ständigung zwischen den Religionen

Im Kanton Bern arbeiten die Landeskirchen und die jüdischen Gemeinden eng zusammen. Die bernischen Kirchen pflegen auch den Dialog und die Zusammenarbeit mit den landeskirchlichen evangelischen Gemeinschaften, den Freikirchen, den Migrationskirchen sowie anderen Religionsgemeinschaften. Nicht akzeptabel sind für sie säkularer oder religiöser Extremismus gegen Minderheiten oder Andersgläubige. 

18- Die Landeskirchen sammeln Spenden für Leidtragende in Krisengebieten

Die Berner Kirchen schaffen nicht nur durch Freiwilligenarbeit einen unentgeltlichen Mehrwert, sondern auch durch Spendensammlungen. Diese Gelder kommen Leidtragenden zugute, die von Umweltkatastrophen, Krisen oder Kriegen betroffen sind. 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dienstagsmail.

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Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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