Über 100 Kirchen wegen extremer Gewalt geschlossen
«Es ist kein religiöses Problem, sondern ein soziales Problem, das jetzt auch die Kirchen betrifft», so drückte es der mexikanische Pastor Francisco Javier Napabé Chanona aus, der auch Leiter des Interreligiösen Rates von Chiapas ist. Die nicht enden wollende Gewalt zwischen den zwei grossen Drogenkartellen «CJNG» (Cártel Jalisco Nueva Generación) und dem Sinaloa-Kartell, Erpressungen der Anwohner und gewaltsame Rekrutierung von Bewohnern der Grenzregion zu Guatemala hatten die Pastoren der Gegend dazu gezwungen, über 100 evangelische Kirchen zu schliessen.
Angst und Hilflosigkeit
Viele Familien seien bereits aus der Gegend geflohen, um den Erpressungen zu entkommen, welche laut Angaben des Nachrichtenportals Vanguardia MX mittlerweile auch von Kirchen verlangt werden. 30’000 mexikanische Pesos würden da verlangt, das entspricht rund 1'550 CHF.
Mehr als 2'000 Bewohner haben in letzter Zeit die Gegend verlassen, in der zuletzt Anfang Januar bei einer Schiesserei zwischen den beiden Kartellen 30 Personen getötet wurden. Doch dies wurde von den Behörden scheinbar nicht weiter untersucht. «…wir verstehen nicht, warum unsere lokalen Behörden und die Bundesbehörden nichts tun, es ist eine Tatsache, eine sehr schmerzvolle für die Familien, wenn sie ihren Besitz verlieren und unter Drohungen leben müssen», so Pastor Napabé Chanona.
«Wir sind verängstigt», bestätigte auch Gamaliel Fierro Martínez, Vorsitzender der Vereinigung evangelischer Pastoren von Tapachula. Viele der Familien seien geflohen, um der Rekrutierung der kriminellen Gruppierungen zu entgehen, die sie zwingen, sich der Gruppe anzuschliessen, und ihnen im Gegenzug keinen Schaden zufügen, so Fierro Martínez. Auch katholische Kirchen spüren die Auswirkungen der Massenflucht aus der Gegend und kritisierten die Tatenlosigkeit der lokalen und nationalen Regierungen.
Tausende seit Jahren aus der Region geflohen
Nicht nur die Kirchen sind geschlossen, auch viele Geschäfte und Schulen wurden aus Angst dicht gemacht. Ob die Kirchen wieder geöffnet werden, scheint zumindest auf kurze Sicht unrealistisch zu sein, denn das Phänomen der Flucht aus Chiapas aufgrund der Gewalt der Drogenkartelle besteht schon seit Jahren: Zwischen 2010 und Oktober 2022 sind laut eines Berichts des Menschenrechts-Zentrums Fray Bartolomé de las Casas über 16’700 Menschen aus der Region geflohen und in den darauf folgenden sechs Monaten weitere 2'000.
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