30'000 Roma bei evangelikalem Jahrestreffen

Das diesjährige Treffen von «Vie et Lumière»
Seit vielen Jahren kommen Sinti und Roma in Frankreich in grosser Zahl zum Glauben. Jetzt fand ihr alljährliches Treffen in «Europas grösster Zeltkirche» mit 30’000 Gläubigen statt.

Zeltmission klingt in Deutschland und der Schweiz stark nach einem Modell des vergangenen Jahrhunderts. Es gibt noch einzelne Zelte, die zu einigen wenigen Terminen aufgestellt werden und durchaus Besucher anziehen können – grosse Mengen erreicht man damit heute jedoch nicht mehr. Ganz anders sah das vom 3. bis 10. September im französischen Grostenquin aus. In dem Dorf zwischen Metz und dem deutschen Saarbrücken findet regelmässig das Treffen der pfingstlich geprägten Bewegung «Vie et Lumière» (Licht und Leben) statt. Seit Jahren treffen sich dort zehntausende Angehörige des fahrenden Volks, um gemeinsam Gottesdienste zu feiern und geistlich voranzukommen.        

Das einzige Problem ist der Müll

Nach eigenen Angaben war es «Europas grösste Zeltkirche», die dort auf dem Gelände eines ausgedienten Militärflughafens aufgebaut wurde. Das Dorf Grostenquin mit seinen 600 Einwohnern kommt regelmässig an seine Belastungsgrenzen, wenn Sinti und Roma aus Frankreich und dem nahen Deutschland mit 5 bis 7'000 Wohnwagen anreisen und die Bevölkerung für eine gute Woche versechzigfachen. «Auf diesen Moment haben wir seit Monaten gewartet», erklärte Pastor Gérard Lacroix laut Evangelical Focus, «wir sind wirklich glücklich, hier zu sein.» Ein Höhepunkt für ihn war dieses Jahr der Einsatz eines neuen, gelb-blauen Zeltes als «Kathedrale» mit über 7'000 Quadratmetern, in dem die Gemeinschaft zusammenkam, um zu singen und auf Gottes Wort zu hören. Zahlreiche Menschen liessen sich taufen und unterstrichen damit, dass sie Christus nachfolgen wollten.

In den meisten Medien wurde das Grossereignis kaum erwähnt, das auf dem Land in Frankreich unter dem fahrenden Volk stattfand, hauptsächlich die letztjährige Beschwerde des Dorfbürgermeisters wegen des hohen Müllaufkommens schaffte es bis in die deutschen Nachrichten. Im Gegensatz zu grossen Sport- und Musikereignissen kam es jedoch bei den Christen weder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen noch zu sonstigen Schwierigkeiten. Nach der Veranstaltung arbeiteten Hunderte von ihnen mit, um den Normalzustand wiederherzustellen. Pastor Joseph Charpentier, einer der Organisatoren, erklärte dazu: «Wir wollten alles dafür tun, damit unser Aufenthalt bei den Bewohnern der umliegenden Dörfer keinen schlechten Eindruck hinterlässt.» Das bescheinigen auch Dorfnachbarn und die Polizei bestätigte, dass es während des Festes «keine nennenswerten Vorkommnisse» gab.

Eine Bewegung mit Strahlkraft

Das diesjährige Treffen von «Vie et Lumière»

Bemerkenswert ist es allerdings, dass sich so viele Christen ausgerechnet in Frankreich versammeln. Die «Gens du voyage» (fahrendes Volk), wie das fahrende Volk mit seinen verschiedenen Gruppierungen in Frankreich genannt wird, besteht dort geschätzt aus einer Viertelmillion Menschen. Traditionell sind die meisten von ihnen Katholiken. Ein Experte auf diesem Gebiet, Frank Heinzmann, berichtet, dass sich um 1950 in der Normandie eine Familie von «Manouches» (Sinti) dazu entschied, Jesus nachzufolgen, als ihr todkrankes Kind nach Gebet wunderbarerweise gesund wurde. Dies war der Beginn einer regelrechten Erweckung. Tausende Sinti und Roma in Frankreich fanden zu einem persönlichen Glauben an Jesus Christus und der bretonische Pfingstpastor Clément LeCossec gründete in der Folge die «Mission Évangelique Tzigane Mondiale».

Heute zählt die protestantische Bewegung 100'000 Mitglieder und nennt sich «Vie et Lumière». Da Landesgrenzen für das fahrende Volk sowieso nur eine untergeordnete Rolle spielen, breitete sich diese Bewegung auch ausserhalb Frankreichs aus: in Deutschland, Spanien, Portugal, der Schweiz und auch in Grossbritannien. Heinzmann hält fest: «Es ist zu anzunehmen, dass Sinti und Roma heute europaweit die grösste ethnische Gruppe unter den pfingstgläubigen Christen darstellen.»

Einmal jährlich treffen sich Zehntausende gläubige Sinti und Roma in Frankreich, um gemeinsam ihren Gott zu feiern. Unter ihnen geht das Gerücht, dass sie eigentlich direkte Nachfahren Abrahams wären, die vor Tausenden von Jahren in der Wüste Sinai verschollen waren, und nicht aus Nordwestindien stammen, wie linguistische und genetische Analysen nahelegen. Le Cossec als Gründer der aktuellen Bewegung ermutigte sie immer, sich selbst als ein staatenloses Volk zu betrachten, das nun eine himmlische Heimat hat, in der es nicht mehr verfolgt wird. «Dort gibt es keine Schilder mehr: ‘für Fahrende verboten’ oder ‘keine Übernachtung’.» Denn nicht nur in Frankreich ist es schwierig, abseits von auferbauenden Events seinen Glauben zu leben, wenn man meist auf Achse ist und nur schwierig Gemeinschaft leben und erleben kann.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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