Nächstenliebe gibt Kraft zum Aussteigen
Das «Rahab-Netzwerk Schweiz» ist ein loser Zusammenschluss von Gruppen, welche die aufsuchende Milieu-Arbeit mit christlicher Grundlage zum Ziel haben. Die Gruppen bieten einen seelsorgerlichen Besuchsdienst in den Bordellen und Orten des Milieus ihrer Region; mit den Zielen der Vernetzung, dem Informationsaustausch zu relevanten Themen, der Organisation von gemeinsamen Schulungstagen und der Koordination und Unterstützung von neuen Gruppen. In diesem Sinne wurde auch der Rahab-Tag ins Leben gerufen.
«…verkauft wie eine Kuh. Nun machst du, was ich dir sage!»
«Dein Freund hat dich verkauft wie eine Kuh. Nun gehörst du mir und machst, was ich dir sage.» Dies sagte ein Bordellbesitzer zu einer jungen Bulgarin und mit diesem Satz begann eine lange Leidenszeit. Rund 20 Jahre nachdem sie in die Sexindustrie verkauft wurde, erzählt sie ihre Geschichte am Rahab-Vernetzungstag.
In der Schweiz arbeiten rund 25'000 Frauen in der Prostitution, viele von ihnen Migrantinnen, welche unter prekären Bedingungen leben. Zunehmend mehr Christinnen und Christen möchten sich für die Menschen in der Prostitution einsetzen und in vielen Regionen der Schweiz gibt es Gruppen, die dies verfolgen.
31 Organisationen und rund 100 Besucher
Am 11. März fand in Olten ein Vernetzungstag dieser Gruppen statt, organisiert vom Rahab-Netzwerk Schweiz. Der Einladung folgten rund 100 Personen aus 31 Organisationen. Jede Gruppe betrieb einen Stand, an dem sie mittels Plakaten, Flyern und Gegenständen die Schwerpunkte ihrer Arbeit vorstellten. Vertretende der unterschiedlichen Gruppen kamen miteinander ins Gespräch, um Fachwissen und Ideen auszutauschen sowie Zusammenarbeiten zu besprechen.
Ein gemeinsamer Plenumsteil wurde durch den berührenden Lebensbericht jener Bulgarin eröffnet, welche als Opfer von Menschenhandel während vielen Jahren in der Sexindustrie tätig war. Durch eine eindrückliche Begegnung mit Gott bekam sie die Kraft, aus der Prostitution auszusteigen.
Umgang mit Betroffenen und Behörden
Nach der Bulgarin, welche anonym bleiben möchte, referierten Hanna Habegger (Leiterin Rahab Olten) und Cornelia Zürrer von Rahab Heilsarmee Zürich zum Thema «Konstruktive Zusammenarbeit mit der professionellen Sozialen Arbeit». Die Zusammenarbeit mit sozialen Fachstellen könne sich für eine christliche Gruppe als sehr nützlich erweisen. Häufig gebe es jedoch Konfliktpotential aufgrund unterschiedlicher Wertevorstellungen und Herangehensweisen.
Ein weiteres Referat beleuchtete das Thema Menschenhandel in der Schweiz. Lydia Jordi, Mitarbeiterin von ACT212 (Beratungs- und Schulungszentrum Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung) erläuterte den Teilnehmenden, wie Opfer von Menschenhandel erkannt werden können und welche Hilfsmöglichkeiten die Fachstelle anbietet.
Austausch und Ausstieg
Abgerundet wurde der Tag in Gruppendiskussionen zu relevanten Themen wie «Milieuarbeit vor und nach Corona» oder «Psychohygiene und der gesunde Umgang mit Nähe und Distanz». In weiteren Gruppen wurden die Möglichkeiten besprochen, wie Frauen im Ausstieg aus der Prostitution begleitet werden können. Die Organisationen Verein Oase (Veltheim) und Rahab Heilsarmee Bern teilten ihre langjährigen Erfahrungen darin.
Auch nach Jahren eine Inspirations-Quelle
Eine Teilnehmerin fasste den Tag folgendermassen zusammen: «Ich arbeite schon viele Jahre als freiwillige Mitarbeiterin im Milieu. Für mich ist der Austausch und die Möglichkeit, meine Arbeit zu reflektieren, enorm wichtig. Ich erhalte am Rahab-Tag neue Inspiration und werde für meine Arbeit mit den Frauen ermutigt.»
Die regionalen Gruppen des Rahab-Netzwerks Schweiz sind unterschiedlich organisiert und können andersgeartete Zielsetzungen verfolgen. Die Motivation aller Gruppen ist die christliche Nächstenliebe. Die Vereinigung wird von einzelnen Vertreterinnen von regionalen Gruppen geleitet. Teil des Rahab-Netzwerks Schweiz können alle interessierten Gruppen werden, welche Auftrag und Motivation der Arbeit aufgrund ihrer christlichen Werte teilen.
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