England: Religiöse Führer warnen dringend vor Euthanasie-Gesetz

Sterbehilfe
Religiöse Führer und Experten aus dem Gesundheitsbereich fordern die britischen Abgeordneten auf, ein Gesetz zur Legalisierung der Sterbehilfe nicht zu verabschieden.

Der Gesetzentwurf der Labour-Partei zur Liberalisierung der Sterbehilfe für Erwachsene («End of Life») soll am Freitag, 29. November, im Parlament diskutiert werden. Er hat eine landesweite Debatte über das Thema ausgelöst.

Vom Recht auf Sterben zur «Pflicht zum Sterben»?

Angeblich soll das Gesetz Missbrauch verhindern, indem es die «weltweit strengsten Sicherheitsvorkehrungen» vorsieht, zum Beispiel, dass Anträge auf Beihilfe zum Suizid von zwei Ärzten und einem Richter abgezeichnet werden müssen. Kritiker lassen sich von den versprochenen Sicherheitsvorkehrungen nicht überzeugen; in dem Schreiben wird vor allem davor gewarnt, dass ein «Recht auf Sterben» nur allzu leicht zu einer «Pflicht zum Sterben» für schutzbedürftige Menschen werden könnte. «Zu den Aufgaben der religiösen Führer gehört die geistliche und seelsorgerliche Betreuung von Kranken und Sterbenden. Wir halten die Hände geliebter Menschen in ihren letzten Tagen, wir beten mit den Familien vor und nach dem Sterben. Das ist unsere Berufung, und aus dieser Berufung heraus schreiben wir», heisst es in dem Brief.

«Aufgrund unserer pastoralen Verantwortung sind wir zutiefst besorgt über die Auswirkungen, die der Gesetzesentwurf auf die Schwächsten haben würde und die die Möglichkeit von Missbrauch und Zwang eröffnen. Wir wissen, dass diese Sorge von vielen Menschen geteilt wird, mit und ohne Glauben.»

Sie fordern stattdessen, sich auf die Verbesserung der Qualität und Verfügbarkeit der Palliativmedizin zu konzentrieren, die ihrer Meinung nach «besorgniserregend unterfinanziert» ist.

Breite Abstützung bei geistlichen und medizinischen Experten

Der Brief wurde am Wochenende in der Zeitung The Observer veröffentlicht und von 29 religiösen Führern unterzeichnet, darunter die Bischöfin von London und frühere oberste Gesundheitsbeamte, Dame Sarah Mullally, das Oberhaupt der katholischen Kirche in England und Wales, Kardinal Vincent Nichols, der koptisch-orthodoxe Erzbischof von London, Erzbischof Angaelos, der Vorsitzende der Evangelischen Allianz, Gavin Calver, der Geschäftsführer von CARE, Ross Hendry, und der Oberrabbiner, Sir Ephraim Mirvis.

Ein separater offener Brief gegen den Gesetzentwurf wurde von 73 akademischen Experten aus den Bereichen Gesundheit, Sterbebegleitung und Rechtssystem unterzeichnet, die davor warnen, dass «eine Gesetzesänderung Zwang zur Realität machen würde». «Wer dies leugnet, ignoriert die 400'000 Fälle von häuslicher Gewalt gegen ältere Menschen in England und Wales pro Jahr», heisst es in dem Schreiben. «Wenn das Gesetz geändert würde, würden wir erleben, dass Menschen mit einer unheilbaren Krankheit das Gefühl haben, dass sie den assistierten Suizid akzeptieren sollten, weil sie (wie es bei fast der Hälfte derjenigen, die in Oregon und im Staat Washington um assistierten Suizid nachsuchten, der Fall war) das Gefühl haben, dass sie eine Belastung für Freunde und Familie sind.»

Unangemessenes Verfahren für komplexe Realität

Der Gesetzentwurf sei «ein unangemessenes parlamentarisches Verfahren für ein Thema von solch ethischer und rechtlicher Komplexität», so die Gesundheitsexperten weiter. Es sei «schwierig» für einen Richter am Obersten Gerichtshof, die ganze Komplexität zu untersuchen, die mit der Beurteilung der geistigen Fähigkeiten und der Entscheidungsfähigkeit von Menschen verbunden sei. «Es ist unklug, eine solch radikale Änderung der Gesundheitspraxis in einer Zeit der Krise des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS zuzulassen, insbesondere angesichts des zunehmenden finanziellen Drucks auf Allgemeinmedizin, Hospize und Pflegeheime», schreiben sie.

In Deutschland ist der ärztlich assistierte Suizid seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 26.2.2020 erlaubt; es gibt jedoch noch kein Gesetz, das die «geschäftsmässige Förderung der Selbsttötung» regelt. In der Schweiz ist die direkte aktive Sterbehilfe strafbar, indirekte aktive sowie passive Sterbehilfe gelten grundsätzlich als erlaubt. Beihilfe zum Suizid ist nur strafbar, wenn sie aus «selbstsüchtigen Motiven» geschieht. Die liberale Praxis der Schweiz hat zu einem Sterbetourismus geführt.

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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Today

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