Mexikos neue Schutzgesetze für indigene Traditionen
Menschenrechtsorganisationen wie «Open Doors» warnen: Die neue Regelung könnte für Christen in indigenen Dörfern gefährliche Folgen haben, wenn sie traditionelle Rituale – oft verbunden mit Praktiken wie Tieropfern – verweigern. Das neue Gesetz gibt indigenen Gemeinschaften das Recht, ihre jahrhundertealten Bräuche verbindlich durchzusetzen.
In vielen mexikanischen Gemeinden ist der Glaube eng mit der sozialen Struktur verbunden. Rituale und Feste, die präkolumbische Bräuche mit katholischen Traditionen verbinden, gelten nicht nur als religiöse, sondern auch als soziale Verpflichtung. Für Christen, die aus Glaubensgründen nicht daran teilnehmen, bedeutet dies oft soziale Ausgrenzung.
Plötzlich ein Fremdkörper
Liz Cortés, Partnerin von «Open Doors» in Mexiko, beschreibt die Problematik: «Christen, die an diesen Ritualen nicht teilnehmen, werden oft als Fremdkörper wahrgenommen, die die Gemeinschaft destabilisieren. Die neuen Gesetze legitimieren im Prinzip diese Verfolgung, indem sie den Behörden erlauben, die Teilnahme an diesen Traditionen zu erzwingen.» Für viele gläubige Christen könnte das bedeuten, dass sie nun offizielle Sanktionen bis hin zu Strafen und Gewalt fürchten müssen.
Bereits vor Inkrafttreten der Reform waren christliche Minderheiten in den indigenen Gemeinschaften Anfeindungen ausgesetzt. Christen, die sich weigerten, an religiösen Festen teilzunehmen oder sich an deren Finanzierung zu beteiligen, wurden häufig mit Geldbussen, Gefängnisstrafen oder sogar Vertreibung bestraft.
«Christen wird oft der Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen wie Wasser und Strom verwehrt», so Cortés weiter. «Kinder von Christen werden in der Schule gemobbt und ihnen wird oft der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung verwehrt.»
Verlust der Freiheit
Die Folgen sind weitreichend: Selbst Pastoren dürfen die Gemeinden oft nicht betreten, um seelsorgerische Hilfe zu leisten. Diese Isolation und die Abhängigkeit von der sozialen Struktur der indigenen Gemeinschaften bedeutet für viele Christen nicht nur den Verlust der Freiheit, ihren Glauben zu leben, sondern auch die Bedrohung ihrer Grundbedürfnisse.
Experten wie Jorge Jiménez, Forscher bei «Open Doors» in Mexiko, befürchten, dass die Reformen nicht nur die Verfolgung von Christen verstärken, sondern auch eine neue, schwer zu überwindende Barriere vor Mexikos nationalem Diskriminierungsschutz errichten. «Indem der Staat indigene Bräuche als öffentliches Recht anerkennt, schafft er quasi eine ‚vierte Ebene‘ der Verwaltung. Dadurch wird es für christliche Minderheiten fast unmöglich, ihre Rechte vor nationalen Gerichten zu verteidigen», sagt Jiménez.
Stattdessen könnten indigene Gerichte, die Christen gegenüber voreingenommen sein könnten, solche Streitfälle verhandeln und damit das Recht auf Glaubensfreiheit untergraben.
Geschwächte Schutzmechanismen
In der Vergangenheit konnten sich Menschenrechtsaktivisten auf das Gesetz über religiöse Vereinigungen und öffentlichen Kult stützen, das die Religionsfreiheit auch in indigenen Gebieten schützen sollte. Das neue Gesetz könnte diese Schutzmechanismen jedoch schwächen und in den Hintergrund drängen, um die indigene Kultur zu bewahren. So wird befürchtet, dass grundlegende Menschenrechte wie die Religionsfreiheit dem Erhalt der Kultur untergeordnet werden könnten.
Vertreter von «Open Doors» betonen, dass die Traditionen indigener Völker respektiert werden müssen, aber nicht auf Kosten der Religionsfreiheit. «Wir respektieren die Bräuche dieser Gemeinschaften», sagt Cortés, «aber wir können nicht zusehen, wie Christen gezwungen werden, ihren Glauben zu verleugnen, oder wie sie mit Gefängnisstrafen, Geldstrafen und sozialer Isolation bestraft werden.»
Die Organisation fordert die mexikanische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass kulturelle Autonomie und Menschenrechte Hand in Hand gehen. Religionsfreiheit und der Schutz indigener Traditionen sollten sich nicht gegenseitig ausschliessen, sondern im Einklang stehen.
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