Weltanschauung, Zweifel und Progressive

Talk mit Paul Bruderer
Im Livenet-Talk spricht Paul Bruderer über seine Sicht zu den theologisch progressiven Strömungen unserer Zeit und wie diesen begegnet werden kann. Dabei weiss er auch zu würdigen und lässt an seinem inneren Ringen teilhaben.

Im Gespräch mit Annina Baer spricht Paul Bruderer, DanielOption und Pastor der Viva Kirche in Frauenfeld, über ein Thema, welches ihn schon länger beschäftigt. Abschliessende Antworten hat er noch nicht überall gefunden, seine Erkenntnisse vermögen aber zu inspirieren.

Begegnung, Lebensfragen und Weltanschauung

«Wir möchten jenseits der Kontraste von liberal oder konservativ auf der Grundlage der jüdisch-christlichen Weltanschauung über die Fragen unserer Zeit nachdenken; über die Fragen, welche Kirchen und Christen heute beschäftigen.» Diesbezüglich werden drei Abende organisiert, an welchen diskutiert werden kann. Um mit Menschen in Kontakt zu treten, seien diese Abende für DanielOption eine Ergänzung zu ihrem Blog. Dabei gehe es unter anderem um die Fragen, ob die Bibel zuverlässig ist oder um sexualethische Themen. «Wir möchten, dass die Christen nicht in einer christlichen Bubble steckenbleiben.» Das Buch «Ankern» von Alisa Childers soll dabei zu verstehen helfen, was eine Rekonstruktion des Glaubens aus der jüdisch-christlichen Weltanschauung heraus bedeuten könnte.

Für Paul ist wichtig, Dinge in einem grossen Zusammenhang zu betrachten. Eine Orientierung in den Fragen des Lebens finden wir in einer schlüssigen Weltanschauung. Konkret: in der jüdisch-christlichen Weltanschauung.

Bibelverständnis: Zwei unterschiedliche Konzepte

«Das Bibelverständnis ist eines der Schlüsselthemen», sagt Paul. Dabei gehe es um Fragen wie «Was ist die Bibel eigentlich?» und «In welcher Art und Weise hat das Buch eine Autorität und ist eine verlässliche Informationsquelle über Menschen und Gott?» Um diese Fragen zu beantworten, erwähnt Paul zwei Konzepte, welche unter Christen zu finden sind. «Je nachdem, welches Verständnis von der Bibel man hat, wird man gerade auch mit den ethischen Fragen ganz anders umgehen.»

Ist die Bibel als geistliches Tagebuch unserer geistlichen Vorväter zu sehen, welche über ihre Gotteserfahrung nachdachten? Oder hat Gott selbst dafür gesorgt, dass der Text auf verlässliche Weise niedergeschrieben wurde? «Das eine sagt, die Bibel sei ein Menschenwort und erzähle etwas über Erfahrungen mit Gott. Das andere sagt: Es ist Gottes Wort im Menschenwort.» Je nachdem, zu welchem Konzept jemand neigt, bestimmt dies den Umgang mit der Bibel. «Wir versuchen, den Leuten bewusst zu machen, dass es diese unterschiedlichen Konzepte gibt. Das gehört zu einem vernünftigen, guten Unterricht.» Natürlich erkläre er als Lehrer dann auch, welches Konzept für ihn stichhaltiger ist und warum.

Gute Fragen stellen und am richtigen Ort Antworten suchen

Als Grundlage der Diskussionsabende dient das Buch «Ankern» von Alisa Childers, welches die Teilnehmer auch vorgängig lesen sollten. Das Buch beschreibt biografisch den Glaubensweg der Autorin. «Sie begann zu zweifeln, weil ihr Pastor zu zweifeln begann.» Zweifel führen zu Unsicherheiten, doch dies sei nicht grundsätzlich ein Problem. Paul erwähnt dabei die Zweifel des Jüngers Thomas. «Wir ermutigen, auf der Grundlage der biblischen Aussagen, den Glauben neu zu stärken und hier Antworten auf die bestehenden Fragen zu suchen.»

Paul verweist auch auf die Kirchenväter, die fast alle Fragen der heutigen Zeit, in ihrem Grundsatz auch schon gestellt haben. Für ihn ist hilfreich zu sehen, wie die Kirche seit ihrer Bestehung in den wesentlichen Lehrpunkten eine Einheit bildet. «Und da gibt es schon gute Antworten auf gewisse Fragen.» Diese zu kennen sei hilfreich.

Teilweise Würdigung der Progressiven

«Progressive Theologen und Christen stellen sehr gute Fragen», hält Paul fest. «Ich habe selbst schon erlebt, wie Christen in Freikirchen Angst vor ihren wirklichen Fragen haben.» Das sei nie ein guter Ratgeber. Persönlich erlebte Paul, wie sein Umfeld sehr positiv auf seine Fragen und Zweifel reagierte. Das sei aber längst nicht überall so. Auf jeden Fall seien die Progressiven zu würdigen, weil sie die schwierigen Fragen zulassen.

Im Talk erwähnt Paul noch weitere Punkte, bei welchen er die Sichtweise von Progressiven würdigt. «Viele Antworten, die progressive Autoren geben, sind dann aber von neuen weltanschaulichen Strömungen und Ideologien genährt.» Als Beispiel erwähnt er das Thema Inklusion, welches der Bibel selbst sehr wichtig ist. Doch die Art, wie Inklusion von gewissen Progressiven gefordert wird, entspreche nicht dem biblischen Verständnis.

Wenn ein Dialog schwierig wird

Spannungen zwischen Christen mit unterschiedlichem lehrmässigen Verständnis gibt es oft. Paul möchte über Lehre sprechen und Irrtümer ansprechen – gerade wenn es um zentrale Inhalte wie die Heilslehre geht. Gleichzeitig verzichtet er darauf, jemandem wegen eines lehrmässigen Irrtums das Heil abzusprechen. Schliesslich rechnet er damit, dass Gottes Gnade grösser ist als unsere Irrtümer. Er hofft auch, dass der Dialog vermehrt möglich sein wird. Dass dies aktuell oftmals nicht möglich ist, empfinde er als schmerzhaft.

Die drei Abende finden am 20. August, 17. September und 15. Oktober statt. Weitere Informationen zu den DanielOption-Live-Abenden und zur Anmeldung finden sich hier.

Sehen Sie sich hier den Talk mit Paul Bruderer an:

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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