Interview mit P.O.D.: «Wir sind gern Brückenbauer»

P.O.D. spielte am Summerside-Festival.
Die Nu-Metal Band mit christlichem Hintergrund spielte in der Schweiz und sprach mit Livenet über die Jugend von heute, «Lebe-was-du-predigst!» und Schweizer Brot. Mit «Youth Of The Nation» startete die Power-Crew in den 90ern weltweit durch.

Kann man von Bescheidenheit umgehauen werden? Bei der Musik der legendären P.O.D. ist es fast Garantie, aber in der persönlichen Begegnung mit Frontmann Sonny Sandoval? Da atmet man eher etwas vom Geist eines Nelson Mandela oder Jesus. Man erlebt im Interview nicht die «In-The-Face»-Energie, wie es der berühmte Sänger und Rapper nennt; die Powermusik, die direkt in die Magengegend fährt. Nein, hier kommt die mitfühlende Seite einer Band rüber, die mit «Youth Of The Nation» zeigte: «Uns interessiert, wie es der Jugend, der Gesellschaft geht.»

P.O.D.-Power in Wort und Sound

Die US-amerikanische Band aus Kalifornien spielt einen originellen Crossover-Sound mit Reggae-Einflüssen. Livenet konnte das Quartett in der vergangenen Woche am Summerside-Festival in Grenchen treffen. Sandoval erzählte, dass es praktisch nichts Schöneres gäbe, als jetzt mit seinem Sohn unterwegs zu sein, dass er ein Reggae-Album geplant hat und wie elektrisierend es war, in einer Schweiz-Beiz das Fussballduell Schweiz – Schottland mitzuverfolgen. Zum Gesprächsende schwärmte er noch vom Schweizer Brot und dass er aufpassen musste, sich keine Überdosis zu holen, weil es so herrlich war.

Über 32 Jahre seid ihr als christliche Band in der Musikszene unterwegs, wie geht’s euch dabei?
Sonny Sandoval:
Oft sind die Leute überrascht. Dann gibt’s halt die kritischen Menschen, mit denen ich lieber über unsre Musik spreche, und es gibt andere, die das so akzeptieren. Manchmal sind wir zu wenig christlich für die Kirchen und «zu christlich» für die Rockwelt. Wir sind aber sehr gern Brückenbauer. Die Leute haben genug von Menschen, die viel sprechen, sie wollen Taten sehen – klar. Wenn sie unsere Sozial-Projekte sehen, denken sie: «Ah das sind gute Typen» und vielleicht «weshalb tun sie das?» Für uns ist es klar, weil wir Männer des Glaubens sind.

Mit unserer «In Your Face»-Musik sind wir halt im Metal-Stigma «Sex, Drugs and Rock’n’Roll». Oder die Leute dachten früher: «Die Christen können doch nicht gut sein.» Aber nach den Erfolgen öffnete die Musik viele Türen. Und – bin ich das Vorzeigebild der Metalszene (lacht)? Nein, ich vermassle es die ganze Zeit. Wir sind Familien-Menschen, und ja, ich liebe Jesus. Er ist klar der Grund, weshalb ich lebe, also kann ich das nicht leugnen. Sonst hätten wir Musik ohne Inhalt, ohne Leidenschaft. Wer will das schon? Wir beten vor den Konzerten; ist kein religiöses Ding. Gebet ist ein schönes Privileg und nicht kompliziert.

Welches sind für dich die Höhepunkte eures Schaffens?
Das Konzert mit Carlos Santana oder eine Million Besucher im Time Square. Ich glaub von ganzem Herzen, dass unsre Musik Menschen berühren kann – sonst wären wir nicht mehr hier. Ja, das passiert immer wieder. Wenn Personen dir sagen: «Ich wollte mich umbringen, dann hörte ich eure Musik, und ich lebe noch.» Es kommt immer wieder zu diesem persönlichen Punkt, und es ist egal, wie gross deine Konzerte waren oder wie viele Scheiben wir verkauft haben: Du bist einfach sprachlos. Es geht um Leben und Tod.

Was ist eure Hauptbotschaft, die ihr rüberbringen wollt?
Ich bin ein Mann des Glaubens, ich liebe Jesus. Aber es ist nicht immer so einfach, zum Glauben zu stehn, manchmal wirst du von der Hälfte der Leute ausgebuht. Aber es geht nicht um Jesus, sie sind gegen die Institution des Christentums. Ich hab ja meine eigenen Probleme damit. Wenn sie mir davon erzählen, dann sag ich: «Ja, das stimmt. Aber das ist nicht Jesus, du kannst nicht ihm die Schuld geben. Man hört Predigern und anderen zu, denen wir vertrauen, aber wenn du Gott kennenlernen willst, musst du Zeit mit ihm verbringen – persönlich mit Gott sprechen.» Und 32 Jahre später hoffe ich, dass ich selber ein besserer Mann werde: liebevoller, mitfühlender. Manchmal kannst du mit Bibelstellen um dich werfen, die allen das Gesicht wegblasen, aber du bist so kalt. An meinen Handlungen sollten sie sehen: Ah, Sonny ist ein guter Kerl und das, weil er Jesus liebt. Das solltest du ihnen zeigen – immer.

Wie seid ihr in Sozial- oder Jugendprojekten engagiert, du führst die «Youth Of The Nation-Foundation»?
Eigentlich immer, wir gehen in Jugendzentren, natürlich Kirchen, Schulen und sprechen mit den Kids. Mein langfristiges Ziel ist ein Gebäude für die Stiftung. Ein sicherer Ort, wo sie weg von ihren Problemen sind, von psychischen Krankheiten oder Ängsten; wo sie Musik machen können, Sport oder Kunst. Das braucht es jederzeit.

Haben sich die (Jugend-)Probleme verändert im Vergleich zu den 90ern?
Die Sozialen Medien sind einfach zu schnell. Man sollte draussen sein, das Gras fühlen… Jetzt ist alles so schnell, es gibt uns ein falsches Bild davon, worum es in dieser Welt geht. Es gibt zu viel Ablenkung. Und es ist noch schwieriger rauszufinden, wer wir sind. Es ist allgemein lächerlich, dass zwei Personen nicht zusammen in einem Raum sitzen, reden und leben können. Heut ist es: «My Way Or Highway», also «mein Weg oder weg mit dir!» Man spricht nicht mehr miteinander.

Deine Wünsche für die Gesellschaft?
Ich wünsche, auch den Jungen, Frieden im Herzen. Aber wie geht das, wie kannst du lieben und leben, wenn du nicht weisst, dass Gott dich liebt? Der Mensch strebt nach mehr Geld, mehr Macht und so weiter – da ist kein Friede. Wir sollten dienen und nicht übereinander regieren. Mit dem «Doppelgebot der Liebe» gäbe es Frieden und Harmonie. Bei allen Entscheidungen sollten wir nach göttlicher Wegweisung suchen. Ja, tu einfach, was recht ist! (lacht laut) Und schlussendlich will ich halt so vielen Menschen wie möglich helfen – das gilt für meine ganze Lebenszeit.

Konzert-Ende mit gemeinsamem Gesang

Der unverkennbare POD-Sound mischte beim Konzert die Menge auf, es wurde «gepogt» und der würdige Abschluss war der zweite Megahit «Alive», den die Vierer-Crew mit den Fans zusammen sang und auskostete: «I feel so alive – for the very first time – I think I can fly!» (dt. Ich fühl mich so lebendig – zum allerersten Mal – ich glaube, ich kann fliegen!)

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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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