Irakische Christen bauen ihr Leben wieder auf
Mehr als 13'000 christliche Familien suchten damals in der Autonomen Region Kurdistan im Irak Zuflucht vor der Brutalität des Islamischen Staates, erinnert sich Erzbischof Bashar Warda von Erbil. Nach heftigen Kämpfen wurde Mossul 2017 befreit, doch die Stadt lag in Trümmern.
In den zehn Jahren seit der Besetzung durch den IS sind dank internationaler Hilfe rund 9'000 Familien in die Ninive-Ebene zurückgekehrt. «Die Kirchen füllen sich wieder, viele Kinder bereiten sich auf ihre Erstkommunion vor», freut sich Warda.
Erinnerungen noch präsent
«Die traurigen und beängstigenden Erinnerungen sind noch präsent, aber zumindest können die christlichen Familien ihr Leben wieder aufbauen und zeigen, dass die Zukunft in ihren Händen liegt. Trotz dieser Fortschritte bleibt der Druck, eine Minderheit zu sein, real», stellt Warda fest. «Viele Christen haben den Irak verlassen oder planen dies. Vor allem junge Menschen brauchen Unterstützung bei der Arbeitssuche. Sie wollen Arbeit, nicht nur Spenden.»
Erzbischof Warda ruft die irakische Christenheit zum Durchhalten auf. Nach Angaben der Organisation «International Christian Concern» (ICC) leben nur noch etwa 50 christliche Familien in der Stadt Mossul. Ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter von ICC betont die wichtige Rolle der Christen beim Wiederaufbau von Mossul: «Die Stadt ist bereit für einen Neuanfang, und Christen haben die Möglichkeit, dies mit einem grösseren Gefühl von Freiheit und Sicherheit zu tun – wie es seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr möglich war.»
Gericht verlangt Übertritt zum Islam
Gleichzeitig sorgt eine umstrittene Entscheidung eines irakischen Gerichts für Aufsehen: In Duhok in der Region Kurdistan ordnete ein Gericht an, dass die christliche Mutter Elvin Joseph und ihre drei Kinder zum Islam konvertieren müssen. Die Entscheidung beruht auf einer Auslegung des irakischen Zivilstandsgesetzes, wonach Kinder den Islam annehmen müssen, wenn ein Elternteil konvertiert.
Elvin Josephs Mutter heiratete nach ihrer Scheidung erneut. Sie heiratete einen Muslim und konvertierte zum Islam. Deshalb ordnete das Gericht nun an, dass auch Elvin Jospeh – die längst erwachsene Mutter von drei Kindern – und ihre Kinder ebenfalls zum Islam konvertieren müssen. «Ich bin Christin», betont Joseph. «Ich bin mit einem christlichen Mann verheiratet und habe drei christliche Kinder. Ich bin in unserer Sprache erzogen worden. Alle meine offiziellen Dokumente sind christlich. Unsere Ehe ist kirchlich registriert.»
Plötzlich unter der Scharia
Trotz dieser Erklärungen besteht das 1959 verabschiedete Gesetz darauf, dass ihre familiären Bindungen – die ihrer Mutter – zum Islam ihre eigene Konversion und die ihrer Kinder erfordern. Dies hat weitreichende Folgen für ihre Ehe, das Erbrecht und das Sorgerecht für ihre Kinder, die nun nach den Regeln der Scharia beurteilt werden.
Die Familie wird nun von einem Anwalt vertreten, der versucht, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen. Eine kürzlich an der Katholischen Universität in Erbil veranstaltete Konferenz, an der namhafte Persönlichkeiten, darunter der Präsident der Region Kurdistan, Nechirvan Barzani, teilnahmen, befasste sich mit den Auswirkungen des Personenstandsgesetzes. An der Konferenz nahmen zahlreiche Vertreter der christlichen Gemeinschaft aus dem gesamten Nahen Osten teil. Unter anderem wurden die Unterschiede zu den religiösen Gesetzen in den Nachbarländern untersucht. Die Konferenz schloss mit einer Reihe von Empfehlungen, in denen die christlichen Führer aufgefordert wurden, Reformvorschläge für das Zivilstandsgesetz auszuarbeiten.
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