Was uns die Christen von Guinea lehren

Jürg Pfister (ganz rechts) bei einem Einsatz in Guinea
Vor wenigen Tagen kehrte Jürg Pfister, Leiter von «SAM global», von einer Reise aus Guinea zurück. «Es fordert mich immer wieder heraus, wie viele mit sehr wenig auskommen müssen und sich trotzdem mit solch einem Elan für Gottes Reich investieren.»

Jürg Pfister, Sie waren kürzlich auf einer Reise in Guinea, was haben Sie da erlebt?
Jürg Pfister:
Wahrgenommen habe ich, dass unter der Übergangsregierung nach dem Militärputsch der Strassenbau die letzten beiden Jahre voran ging, wie wohl noch nie zuvor. Somit ist das Reisen dank vermehrt guten und geteerten Strassen etwas einfacher geworden.

Ein besonderes Erlebnis war die grosse Feier der Übergabe der Toma-Bibel. Ich habe das Übersetzungsprojekt 1992 gestartet und im Juni 1996 an Jeff und Laura Wilhoit übergeben. Diese haben das Projekt mit einem guten lokalen Übersetzer vollendet und nun konnte die ganze Bibel 31 Jahre später der Volksgruppe der Toma in ihrer Sprache übergeben werden – was für eine Freude! Sehr hilfreich ist, dass der Text auch als Audio-Ausgabe vorliegt – gerade in einem Kontext, wo viele Menschen nicht lesen können.

Jürg Pfister, Leiter SAM global und Länderverantwortlicher Guinea

Anschliessend führten wir ein Training mit Personen aus ganz Guinea durch, damit sie motiviert und sensibel auf die muslimischen Volksgruppen zugehen. Dabei versuchten wir, die Teilnehmenden selbst in Freiheit zu führen, unter anderem durch Vergebung und Versöhnung. Zu erleben, wie Leute ihren Hass gegenüber ihren muslimischen Nachbarn ablegen konnten und nun mit Liebe und mehr Verständnis auf sie zugehen und dabei gute Erfahrungen machen, ist sehr ermutigend.

Was macht SAM global in Guinea generell?
Wir investieren uns, um mit Bildung Leben zu verändern. Sei es durch Kindergärten und Schulen, sei es durch Berufsschulen, wo Bauhandwerker, Landmaschinenmechaniker und Hauswirtschafterinnen ausgebildet werden, sei es durch Agronomen, welche in den Dörfern den Bauern helfen, schonender, nachhaltiger und erfolgreicher Reis, Mais und so weiter zu produzieren und ihren Ertrag zu steigern.

Angesichts der Tatsache, dass sich die Bevölkerung Afrikas verdoppeln wird in den nächsten 30 Jahren, ist dies äusserst wichtig. Auch die medizinische Arbeit geht weiter. Das inzwischen übergebene aber von uns immer noch begleitete Spital kümmert sich nach wie vor schwerpunktmässig um Lepra-, TB- und HIV-Aidskranke sowie Diabetiker.

Können Sie das ein oder andere Guinea-Projekt besonders hervorheben?
Wenn wir Projekte übergeben, ist immer die Frage im Raum, wie und in welcher Qualität etwas weitergeht. Vor einem Jahr galt es, in einer abgelegenen Stadt alles zu übergeben, da alle Expats zurück in die Schweiz kamen. Da haben wir unter anderem eine Schule namens «Action VIVRE» aufgebaut, die inzwischen einen guten Ruf hat.

Während meinem Besuch im Juli wurden die Ergebnisse der Schüler veröffentlicht, welche das Brevet zu machen versuchten, das es zum Übergang ins Gymnasium braucht. Und da hat ein Absolvent aus unserer Schule mit 19.05 von 20 Punkten als landesweit bester Schüler abgeschlossen. Das hat uns sehr gefreut und es zeigt: Es lohnt sich, in Ausbildung zu investieren, auch in abgelegenen Regionen!

Einer der Gemeindeleiter und Laienpastoren, die ich vor 30 Jahren mitausgebildet habe, kam beim Fest der Toma-Bibel auf mich zu. Was für eine Freude zu sehen, dass er immer noch engagiert das Gelernte anwendet und spontan bereit war, mit Engagement an unserer zweiwöchigen Schulung teilzunehmen. 

Welche Aufbrüche und welche Herausforderungen begleitet Ihre Arbeit in Guinea?
Wir spüren auf verschiedenen Ebenen in diesem Land, das zu 88 Prozent muslimisch ist, eine nie dagewesene Offenheit und möchten diese nutzen. Die mit Abstand grösste Herausforderung für uns ist es, Mitarbeitende zu finden, die bereit sind, mit uns in Guinea etwas zu bewegen. Man könnte meinen, dass das «Bleiben Sie zu Hause!» immer noch gilt, dabei sagt Jesus seinen Jüngern etwas ganz anderes: «Geht! » Wo sind die Leute, die bereit sind, zu gehen und sich zu investieren als Berufsleute aber auch, um anderen die beste aller Nachrichten vorzuleben und weiterzugeben, falls dies erwünscht ist?

Was kann die westliche Christenheit von den Christen in Guinea lernen?
Mich beeindruckt immer wieder, wenn ich Menschen treffe, die Gott auch in schwierigsten Situationen vertrauen und kaum ins Zweifeln kommen! Auch fordert mich heraus, wie viele mit sehr wenig auskommen müssen und sich trotzdem mit solch einem Elan für Gottes Reich investieren.

Gibt es etwas zu Guinea anzufügen, was mit den obigen Fragen nicht abgedeckt ist?
Es besteht die Möglichkeit, mit einem lokalen christlichen Partner beim Aufbau einer Krankenpfleger-Schule mitzuhelfen, wo es neben der beruflichen Ausbildung auch um die Prägung mit christlichen Werten geht; Korruption ist ein riesiges Problem. Das wäre äusserst nötig und sinnvoll. Ob wir die nötigen Ressourcen an Man-/Women-Power haben?

SAM global arbeitet neben Guinea in zehn weiteren Ländern, welche Begebenheiten aus einem oder mehreren dieser Länder machten Ihnen zuletzt besonders Freude?
Da gäbe es viel zu erzählen. Ich pflücke ein Highlight heraus: Wir haben vor kurzer Zeit mit «Rings of Hope» ein Projekt in Nord-Kamerun gestartet, um Frauen, deren Männer durch Terrorgruppen umgebracht wurden und die somit Witwen geworden sind, in Selbsthilfegruppen zu organisieren und sie geistlich und praktisch dabei zu unterstützen, wieder Selbstwert zu gewinnen und Hoffnung zu schöpfen. Wir nennen sie «femmes d'espoir», (=Frauen der Hoffnung). Die Arbeit geht schneller voran als erwartet und es entstehen zügig neue Gruppen. Frauen, die keine Hoffnung mehr hatten, blühen wieder auf und unterstützen einander und lernen aus Gottes Wort neu Kraft zu schöpfen.

Zur Webseite:
SAM global

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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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