«Dass Rio lebt, ist ein Wunder!»
Der kleine Rio sitzt in seinem Hochstuhl im Esszimmer und strahlt. «Er ist ein sehr zufriedenes Kind», bestätigt seine Mutter Rahel, während sie ihrem Sohn den Brei löffelt. Etwas später lässt sich Rio widerstandslos von seiner Schwester Lia und Brüderchen Neo auf den Arm nehmen. Dieser drückt dem kleinen Bruder einen Kuss aufs Köpfchen. «Dass Rio lebt, ist ein Wunder», bekräftigt Rahel. Rio kam am 13. August 2020 im siebten Schwangerschaftsmonat zur Welt. «Für eine Frühgeburt war er mit 41 cm ein grosses Baby und wog 2050 Gramm», erklärt Rahel. Allerdings kam Rio mit einem Herzfehler zur Welt und musste schon mehrmals operiert werden. Daher verbrachte ihr drittes Kind 28 Wochen im Kinderspital in Zürich, viereinhalb davon auf der Intensivstation.
Wennschon, dennschon
Rahel und Lars waren fünf Jahre befreundet, bevor sie 2015 heirateten. Zwei Jahre später wurde Lia geboren, 2019 Neo. Kurze Zeit danach war Rahel wieder schwanger. «Vertraust du mir?», hörte sie Gottes leise Stimme. Und sie dachte: «Das wird streng. Aber mit Gottes Hilfe schaffen wir das!» Wenig später erlitt sie eine Fehlgeburt. Wieder hörte sie Gott: «Vertraust du mir?» Anfang 2020 wurde Rahel zum vierten Mal schwanger.
Gerne wollte sie im Geburtshaus Bäretswil entbinden. Doch in der 22. Schwangerschaftswoche erfuhren Lars und sie, dass ihr Kind einen Herzfehler hat. Das bedeutete, dass sie im Unispital gebären würde. «Vertraust du mir?» vernahm Rahel ein drittes Mal… Es handle sich nur um eine kleine Öffnung zwischen den Herzkammern, das könne operiert werden, und ihr Söhnchen habe dann gute Lebenschancen, beruhigten die Ärzte. Das Paar atmete auf.
Komplikationen
Doch dann stellte sich heraus, dass zu wenig Fruchtwasser vorhanden war. Ab der 27. Schwangerschaftswoche musste Rahel im Spital liegend auf die Geburt warten. «Ich feierte mit den anderen Müttern jeden Tag, den wir geschafft hatten!», erklärt sie. Bald wussten Mitpatientinnen sowie Pflegepersonal, dass Rahel und Lars für ihre Kinder beteten und auf Gottes Hilfe vertrauten.
Sieben Wochen später wurde es hektisch. «Rufen Sie Ihren Mann an, wir müssen das Kind holen», erklärte die Hebamme am 13. August um 6:50 Uhr. Zehn Minuten vor dem Notfallkaiserschnitt traf Lars ein. Kaum auf der Welt, kam Rio in die Obhut der Ärzte.
Gebet aus aller Welt
«Zum Glück arbeitete ich damals als Elektriker in der Firma meines Schwiegervaters», sagt Lars «Das war ein grosses Geschenk». Seine Schwiegereltern hatten viel Verständnis für Unvorhersehbares. Sie hüteten auch abwechselnd mit seinen Eltern die beiden älteren Kinder Lia und Neo und beteten intensiv für die ganze Familie. Dazu sagt Lars: «Auch unsere Freunde aus der Kirche organisierten eine Gebetskette.
Auf der ganzen Welt wurde für uns gebetet», erzählt Lars. Leider verlief die erste Operation von Rio nicht erfolgreich. Dennoch hielt Lars daran fest, dass Gott Wunder tut – auch heute noch. «Mir ging immer das Lied 'I'm gonna see a victory' durch den Kopf», sagt er. «Ich sang es fortlaufend, im Auto, bei Rio am Bett: Ich werde einen Sieg erleben!»
Epileptische Anfälle
Rahel war noch nicht lang zu Hause, da wurden die Eltern wieder nach Zürich beordert. Bei Rio drohten Teile des Darms abzusterben, er musste erneut operiert werden. Daraufhin erlitt er epileptische Anfälle, die nicht mehr enden wollten. Was diese in seinem Hirn zerstören würden, konnte dem Paar niemand sagen. Rios Brustkorb wurde geöffnet und fünf Tage lang offengehalten, um dem Herzen mehr Platz zu verschaffen. Und dann erfuhren Lars und Rahel, dass der Hirn-Scan eine Null-Linie zeigte. Nur dank externer Unterstützung funktionierten Rios Organe weiter. «Die Ärzte baten uns, die Wiederbelebungsversuche einstellen zu dürfen, falls Rio wieder krampfen würde», berichtet Rahel. Lars und sie waren bereit, ihr Kind gehen zu lassen. Oder es anzunehmen, so wie es sein würde, sollte es aufwachen.
Zerreissprobe für die Ehe
85 Prozent der Ehen werden geschieden, wenn sich Eltern um ein chronisch krankes Kind kümmern müssen, erfuhr Rahel zu jener Zeit. Lars forderte seine Frau deshalb auf, sich bewusst auch für ihre Partnerschaft zu entscheiden. Die beiden lieben ihre Kinder sehr, doch ihre Ehe wollten sie nicht opfern. Daher nahmen sie Hilfe in Anspruch, dinierten zu zweit, machten Ausflüge und pflegten die Zweisamkeit. «Wenn wir uns mit Freunden zum Spielen trafen, konnten wir auch lachen», erzählt Rahel.
Das Wunder
Das durch die Pandemie eingeschränkte Besuchsrecht machte den Familienangehörigen zu schaffen. Einmal jedoch durften die Grosseltern zu Rio ans Bettchen. Beide Grossmütter sprachen dem Kleinen ermutigende Verse aus der Bibel zu – und Rio reagierte darauf. «Kämpft noch diese Nacht», bat Lars die Ärzte. Und tatsächlich: Das Wunder geschah! Die geplante Intubation musste nicht durchgeführt werden und auch das Resultat des MRI war unauffällig. «Wir können es fast nicht glauben. Es sieht alles so aus wie bei einem gesunden Neugeborenen», erklärte der Kinderarzt. Lars war überglücklich, aber nicht ver«wunder»t, schliesslich hatte er fest daran geglaubt.
Rahel zeigte sich erleichtert und dankbar, fragte sich aber auch: «Wozu hat das Ganze sein müssen?» Sie hatte oft zusammen mit Jesus um ihren jüngsten Sohn geweint, ihm aber immer wieder das Vertrauen ausgesprochen. Gleichzeitig galt es, den Alltag zu bestreiten – eine kräftezehrende Zeit.
Endlich zu Hause
Bei allem Gottvertrauen… «Ich hatte auch Angst, dass Rio sterben könnte, weil Gott uns zutraut, dies zu ertragen», sagt Rahel. Es folgte eine weitere Herz-OP, die glückte. Auch eine Infektion mit dem RS-Virus überstand der Säugling. Als Rio keinen Sauerstoff mehr benötigte, durfte er das Spital ein halbes Jahr nach seiner Geburt endlich verlassen. Am 13. August 2021 feierte die Familie seinen ersten Geburtstag. Rio ist in seiner Entwicklung auf dem Stand eines sechs Monate alten Kindes», erklärt Rahel. «Doch er lernt ständig dazu». Lars ist überzeugt: «In seiner Brust steckt ein Kämpferherz! Gott hat noch einen grossen Auftrag für ihn.»